Tiara
war dieses Mal alleine in der Ruine der Rattentiere. Die anderen Zwei
waren noch in der Schule. Sie lernten wie man in der Öde überlebt.
Tiara war nur einmal in diesem Unterricht aber sie kam mit dem Lehrer
nicht so gut zurecht. Er hatte die Afrikaner alle als böse
abgestempelt und sooft er konnte zog er über sie her. Er hatte ihnen
in ihrer ersten Stunde zu erklären versucht, wie man sie am besten
töten konnte.
Tiara
hatte noch nie einen Afrikaner kennen gelernt aber sie konnte sich
nicht vorstellen dass alle so böse waren, wie die Schwarzen, die die
Farmen angriffen. Man erzählte oft, dass sie so schwarz geworden
sind, weil sie grausam und nichts Gutes in sich trugen. Tiara konnte
sich aber nicht vorstellen das der menschliche Körper zu solchen
Veränderungen imstande war. Sie mussten sich mit Farbe bemalen oder
vielleicht war es ein Medikament mit dem sie sich ein kremten, genau
wie das Spray von Dr. Radon.
Hinter
ihr tapste etwas Klauenbesetztes über den schmutzigen Boden. Sie
drehte sich um. Ein Rattentier beäugte sie vom Eingang zu ihren
Treffpunkt. Sie machte einen Schritt hinter den Schreibtisch und
starrte das Tier an. Es bewegte sich nicht.
„Na
du?“, sagte Tiara unsicher.
Die
Ratte schoss mit wirbelnden Schwanz auf sie zu. Tiara riss die Augen
auf, sie sprang. Die Ratte versenkte ihre spitzen Zähne in ihrer
Jeans. Tiara landete auf dem Schreibtisch, das Rattentier löste sich
von ihr und landete mit einem Klatschen auf dem Boden und fauchte
wild. Tiara sprang auf der anderen Seite des Schreibtisches herunter
und rannte aus dem Raum hinaus in den Flur – direkt auf das weit
aufgerissene Maul eines zweiten Rattentieres. Dieses Vieh war doppelt
so groß. Tiara trat mit voller Wucht in ihre Richtung, im selben
Moment sprang das Tier – es sprang in Tiaras Tritt hinein und wurde
gegen die Wand geschleudert. Tiara rannte weiter bis zur Treppe. Mit
rasendem Herz sprang sie hinunter in die Eingangshalle des Gebäudes,
rutschte auf der letzten Treppe aus, taumelte und hörte noch mehr
Fauchen. Aus den Augenwinkeln bemerkte sie ein weiteres Vieh –
bereits im Sprung. Da sie ohnehin gerade ihr Gleichgewicht verlor,
ließ sie sich einfach fallen. Das Tier segelte über sie hinweg und
landete auf dem Boden – es wirbelte sofort herum und fauchte ihr
ins Gesicht. Tiara ballte die Hand reflexartig zu einer Faust und
Schlug mit ihr auf den Kopf der Bestie. Es knirschte, das Tier
schrie, es warf sich auf die Seite – Tiara sprang auf – der
Schwanz des verendenden Rattentieres erwischte sie im Gesicht. Sie
fiel wieder hin. Es war tot. Etwas schweres landete zischend auf
ihrem Rücken und sie spürte je 4 bis 5 Krallenpaare in ihre Haut
dringen. Sie schrie auf, rollte sich auf den Rücken, dass es der
Ratte die Luft aus den Lungen trieb und das nächste wollte ihr
bereits ins Gesicht springen. Mit einem Fuß erwischte sie es in der
Luft – es flog davon. Sie rappelte sich wieder auf, dass Vieh auf
ihrem Rücken ließ von ihr ab. Sie rannte wieder.
Sie
rannte durch das tote Gras und über Geröll eines eingestürzten
Schornsteins. Und erst als sie das Loch erreichte und bis zur Taille
im Wasser stand blieb sie stehen und drehte sich um. Keines von ihnen
war ihr gefolgt. Sie atmete schwer, ihre Wange tat weh und ihr lief
der Schweiß übers Gesicht. Sie holte tief Luft und atmete langsam
aus.
„Bravo,
Kid. Yeah, du wars echt gut.“
Tiara
zuckte zusammen. Am Ufer saß ein Schwarzer. Er hatte nur Jeans an
aber seine Rüstung und seine Schuhe, sowie seine Waffen lagen nicht
weit von ihm entfernt auf einem Haufen. Er lächelte. So helle Zähne
hatte Tiara noch nie gesehen.
„Du
kommst aus Dyson-City, yeah?“
Tiara
nickte.
„Ich
muss auch bald wieder Zuhause sein“, sagte sie mit zitteriger
Stimme. „Meine Mutter wartet schon auf mich, ich... muss ihr noch
bei etwas helfen.“
Der
Schwarze nickte. Er schüpfte mit seinen großen Händen etwas Wasser
aus dem Loch und wusch sich das Gesicht. Die schwarze Farbe ging
nicht ab – im Grunde war er gar nicht schwarz sondern eher braun.
„Was
machst du hier?“, fragte Tiara. Vielleicht war er noch nicht ganz
so grausam wie die ganz Schwarzen. Ein Auszubildender sozusagen.
„Ich
wash mich, hab mene Einheit im Sandsturm verloren“, sagte er, aber
allzu besorgt tat er dabei nicht.
Tiara
kam Schritt für Schritt aus dem Wasser raus.
„Wollt
ihr die Stadt angreifen?“, fragte sie. Sie ging langsam am Ufer
entlang auf ihn zu. Hinter ihm war der Zugang zum Loch. Sie würde
Notfalls über die Sandberge die das Loch umgaben fliehen müssen
aber dann würde er sie womöglich einholen.
„No!
Wir haben doch enen Nichtangriffs-Pakt was die City betrifft“,
sagte er, „und daran halten wir uns, auch wenn euer Leader nicht
mehr lebt – Ehrensache, verstehst du?“
Tiara
wusste ganz genau, dass sie einem Schwarzen nicht trauen durfte aber
es fiel ihr im Moment ziemlich schwer, da er sich so menschlich
verhielt, wie jeder andere Mensch auch den sie bisher kennen gelernt
hatte. Sicher, er trug schwere Waffen bei sich und eine
Soldatenrüstung und alles aber viele Menschen in Dusonstadt taten
das auch und im Moment kniete dieser Mann am Ufer des Lochs und
gedachte sich einfach nur zu waschen, wie es schien.
„Warum...
lässt du mich vorbei?“, fragte sie ihn. Eigentlich wollte sie
fragen, warum er sie nicht tötete aber sie wollte ihn lieber nicht
auf falsche Gedanken bringen.
„Geh
ruhig“, sagte er und lächelte sogar und wieder fand Tiara seine
weißen Zähne wundersam. „Du hast nichts, das ich brauche.“
Tiara
ging an ihm vorbei, beim Vorbeigehen betrachtete sie seine Haut
genauer. Keine Farbe. Seine Haut war braun.
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