Donnerstag, 18. September 2014

Die Outlands

Die Outlands lagen außerhalb der Dusonstadt. Sie bestanden zu 95 Prozent aus Feldern. Diese Felder waren um die Stadt herum angelegt und reichten bis zum Gebirge im Süden, 800 Kilometer von der Dusonstadt entfernt. Sie versorgten die 68 Millionen-Stadt mit Nahrung, Strom und Wasser. Nur einige Hunderttausend Menschen lebten auf dieser gewaltigen Fläche.

Es gab nur wenige Bauern, die sich zu Siedlungen zusammenschlossen. Eine dieser Siedlungen lag knapp 100 Kilometer von den Stadtgrenzen entfernt an der alten Grenze zu den Niederlanden. Hier lebte Sabodek zusammen mit seiner Mutter, den Großeltern und einem Farmer auf einem Hof in der Nähe eines großen Frachthofes.

Colina und Sabodek standen an den Schienen. Gerade wurde ein Güterzug beladen. Sie beobachteten die Arbeiter auf den Wagons und in den Hallen oder an den Silos. Sabodeks Mutter kletterte in die Trägermachine und steuerte sie in eine der Hallen. Die breiten Füße der Maschine stampften auf dem trockenen Boden und wirbelten Staub auf. Sabodek fand, dass die Träger wie Hühner aus Metall aussahen.
„Bringst du mich zur Probe?“, fragte Colina.
„Ja“, sagte Sabodek, „ich hole mein Fahrrad.“
„Ja“, sagte Colina, „ich hole meine Geige.“
Zehn Minuten später holte Sabodek seine Freundin beim Nachbar-Hof ab. Sie setzte sich hinten drauf und Sabodek fuhr los, der Straße entlang.

Colina probte in der Siedlungs-Halle. Der Ratsherr grüßte die beiden Kinder. Er hatte eine Mistgabel in der Hand und eilte aus der Halle. Die Mistgabel warf er auf den Rücksitz seines Landfahrzeugs, stieg vorne ein und fuhr los.
„Wo will er hin?“, fragte Colnina.
„Wollte er nicht bei der Probe dabei sein?“, fragte Sabodek.
Colina nickte. Beide sahen dem Landfahrzeug nach, wie es sich auf der langen Straße entfernte.
„Ich fahre zum Strand“, sagte Sabodek.
„Ja“, sagte Colina.
Sabodek fuhr davon.

Sabodek fuhr an den Ruinen aus der alten Zeit vorbei. Sie standen weit weg in einem großen Maisfeld auf dem eine Erntemaschine fuhr. Über dem Feld flog ein Conolonibus auf der Stelle. Seine Rotoren machten soviel Wind, dass die Maisstauden umgebogen wurden, einige flogen durch die Luft. Ein Wagen der OPD fuhr an ihm vorbei.
„Was ist den hier los?“, fragte sich Sabodek.
Der Conolonibus bewegte sich nun auf die Ruinen zu und blieb über ihnen schweben. Ein Seil kam herunter. Sabodek konnte nicht genau erkennen, ob jemand in den Ruinen war, weil die Maisstauden zu hoch gewachsen waren.
„Mist“, sagte er.
Das Seil wurde wieder hochgezogen. Am Ende des Seils hing etwas aber es war kein Mensch, obwohl Sabodek Arme zu erkennen glaubte und auch ein Bein war dabei. Es war ein großer Klumpen, vielleicht so groß wie ein Rind. Sabodek strich sich durch sein schiefes Gesicht.
„Was ist das?“
Wieder kam ein Wagen der OPD vorbei. Da musste etwas schlimmes geschähen sein.

Sabodek kam beim Hof an. Seine Mutter schimpfte im vorraus, dabei hatte er heute noch nichts blödes angestellt.
„Komm, ich habe dir Maiskolben mit Salz gemacht“, sagte sie, als sie fertig mit Schimpfen war. Sie drückte ihm einen Schokoladen-Riegel in die Hand.
Dann kam die Kolone der OPD am Hof vorbei. Die zwei Fahrzeuge, die Sabodek vorhin an sich vorbei fahren sah und ein Frachter der etwas geladen hatte, dass mit einer Plane abgedeckt war. Sabodek war sofort klar, dass es das sein musste, was vorhin am Seil des Conolonobus gehangen hatte.
„Ich esse später“, rief er, nahm sein Fahrrad und raste der Kolone hinterher.
„Dann musst du es kalt essen, du Blödmann“, schrie ihm seine Mutter nach“, Trottel, du isst es kalt, ich sage es dir!“
Die Kolone hielt auf der anderen Seite der Siedlung auf einer Ranch an. Gerade kam eine Rinderherde zurück von den Wiesen. Die Polizisten mussten warten, bis alle Tiere vorbei gelaufen waren bevor sie auf den Hof der Ranch fahren konnten.
Sabodek stellte sich an einer Häuserwand hinter einem Strauch und beobachtete den Tierarzt der Siedlung, wie er auf den Frachter stieg und unter die Plane schaute. Er sprang zurück, beugte sich über den Rand des Frachters und würgte aber ea kam nichts raus.
„Tut mir Leid“, sagte einer der OPD-Leute. Es war ein Mann mit grauen Haaren und Halbglatze, mit einem Schnautzbart. „Der Anblick muss gräslich sein, nicht wahr?“
„Nein“, sagte der Tierarzt. „Es ist nur – ich vertrage den Geruch nicht.“
Der OPD-Mann mit Halbglatze hob die Augenbrauen.
„Ich habe gar nichts gerochen.“
Der Tierarzt schüttelte den Kopf. Er schaute wieder unter die Plane und würgte wieder. Dieses Mal kletterte er aber ganz unter die Plane und man hörte ihn darunter dumpf würgen und husten.
„Was sagen sie dazu?“, fragte der OPD-Mann mit Halbglatze.
Unter der Plane kam ein lautes Würgen zurück. Die OPD-Leute sahen sich unter einander mit ekelerfüllten Mienen an.
„Brechen sie am besten daneben“, rief der OPD-Mann mit Halbglatze, „nicht auf die Leichenteile... wenns geht!“
Der Tierarzt kam zurück.
„Nun“, sagte er, „soweit ich das beurteilen kann, sind es drei, vielleicht vier Leichen.“
Der OPD-Mann mit Halbglatze nickte. Er kratze sich an der Nase und dann am Ohr und dann am Kinn und nickte noch einmal.
„Keine Köpfe“, sagte der Tierarzt.
Der OPD-Mann mit Halbglatze sah auf. Er kratzte sich am Ohr und am Kinn.
„Keine Köpfe?“
Der Tierarzt schüttelte den Kopf.
„Keine Köpfe.“
Der OPD-Mann mit Glatze nickte zweimal hintereinander – kratze sich an der Nase. Er sah die anderen OPD-Männer an, nickte ihnen zu und sah sich dann auf dem Hof um.
„Wir müssen die Köpfe finden“, sagte er dann.

Jetzt nickten die anderen OPD-Leute.  

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