Leere Dosen rollten über den Asphalt. Der Wind trieb sie über den Schutt, zwischen eingestürzten Bauten. Hier und dort brannten Feuer. Andernfalls hätte man nur den blechernen Lärm gehört, den die Dosen verursachten. Nicht weit darüber bewegten sich dunkle Rauchwolken alle in eine Richtung, doch stiegen sie von überall her auf. Sie ließen kaum Licht hindurch.
Hannah brachte Gemüse. Sie hatten einen alten Laden gefunden, der stehen geblieben war. Einen alten Mann hatten sie auch gefunden. Früher hatte er das Gemüse verkauft. Nun saß er auf der Bank vor dem Schulgebäude und zählte vielleicht die Steinchen zu seinen Füßen. Manchmal blickte er auf, wenn jemand auf dem Schulhof auftauchte, denn er noch nicht gesehen hatte. Dieses Mal blickte er auf, als ein Soldat mit Gasmaske über den Hof geschritten kam. Er sprach in einer fremden Sprache aber sie alle hatten diese Sprache in den letzten Jahren so oft gehört, dass sie verstanden was er sagte. Der Krieg war zu ende. Aber das war offensichtlich.
Figen baute die Zelte auf, weil sie es am besten konnte. Die Mutter von Hannah kam, um zu helfen, dann wurden beide ins Klassenzimmer gerufen. Eine Regenwolke kam an. Eine viertel Stunde kam der Regen. Die Strahlungswerte stiegen um das 1000fache an. Figen spielte Karten mit den Kindern aus den 5. und 6. Klassen – auch das konnte sie sehr gut. Und die anderen schauten ihr zu oder aus dem Fenster oder einfach nur so dahin.
Paul weinte im Flur. Der alte Gemüseverkäufer streichelte durch sein Haar. Er sagte, dass es nicht schlimmer werden könnte. Der Direktor fragte ihn, ob er ihm helfen könnte. Der Alte nickte. Beide trugen Frau Schmitz ins Krankenzimmer, sie erbrach seit heute morgen. Figen setzte sich neben Paul und legte ihren Arm um seine Schulter.
Zum Abendessen gab es braune Bananen. Innen waren sie noch gut. Wer wollte, konnte auch Gurken haben aber die waren etwas schrumpelig.
Radon sah einen Jungen auf dem Fahrrad ankommen. Vielleicht war das der Bote aus der Apotheke. Er ging ihm entgegen. Der Junge sprang vom Fahrrad und kam zu ihm gelaufen.
„Herr Radon?“
Der Mann nickte. Er nahm dem Jungen die Tüte ab und sah hinein. Zwei kleine Fässer mit Flüssigkeiten.
„Sie heißen doch nicht wirklich Radon, oder?“ Der Junge lachte.
„Wenn ich dieses Medikament entwickelt habe, nenne ich mich Anti-Radon.“
Der Junge lachte noch mehr. Er war vielleicht 16 oder 17 aber nicht größer als 160 cm und ziemlich abgemagert. Eigentlich glich es einem Wunder, dass seine Beine ihn noch trugen.
„Wo lebst du eigentlich?“, fragte Radon.
Der Junge machte einen Wink hinter sich.
„In der alten Gesamtschule.“
Radon nickte.
„Komm morgen vorbei, vielleicht habe ich wieder Arbeit für dich.“
Der Junge salutierte und machte sich davon.
Radon hatte seit dem der Krieg zu ende war ein seltsames Gefühl. Manchmal kam ihm seine Arbeit falsch vor und er konnte sich nicht erklären woher dieser Gedanke kam. Er fragte sich, ob es überhaupt richtig war, die Menschen retten zu wollen. Die Begegnung mit dem Boten auf dem Fahrrad hatte ihn jedoch wieder motiviert – für den Abend zumindest.
Alice legte sich unter einem Haufen Zeitungen schlafen. Nicht weit weg lag ein altes Buswrack auf der Straße. Es bot ihr etwas Schutz vor den Winden und sie konnte nicht so leicht gesehen werden. Schon dreimal geriet sie an die falschen Leute. Sie hatten versucht sie zu vergewaltigen und sie musste einen von ihnen töten. Sie hatte ihm den Hals zerquetscht. Seit sie bei einer Explosion verwundet worden war, hatte ihr rechter Arm ungewöhnliche Kräfte entwickelt. Sie konnte ihre Hand-Prothese so stark zusammenballen, dass sie sich selbst zerstören könnte, wenn sie nicht rechtzeitig locker ließ. Dann kam ihr die Ausbildung im Lager der Rebellen zugute. Leider hatte keiner von ihnen überlebt.
Rena stand an der Zementmischmaschine. Sie bauten die Stadthalle wieder auf. Honda und Georg kletterten auf dem Dach herum. Die beiden machten immer was sie wollten aber manchmal halfen sie auch beim Wiederaufbau der Stadt.
Es wurde spät, die Sonne hatte einen roten Streifen am Horizont hinterlassen. Rena kippte den Zement in die Baukarre. Gina hob den nächsten Sack Zement vom Boden hoch – fast automatisch. Rena schüttelte den Kopf. Für heute reichte es. Klipp kam und nahm die letzte Ladung Zement mit ins Innere der Stadthalle.
„In der Stadt brennt es immer noch“, rief Honda vom Dach.
Rena winkte ab.
Der Soldat nahm seine Gasmaske ab damit er die Gurke essen konnte. Manchmal entschuldigte er sich für etwas, wofür er nichts konnte. Er bedankte sich. Er aß seine Gurke.
In der Ruine des alten Regierungszentrums brannten Lagerfeuer. Frauen und Männer tanzten darum. Musik schallte durch den Raum – Dubstep.
„Schau!“, rief Aki. Sie zeigte in den dunklen Himmel. Da funkelte ein Stern – so groß, wie der Mond.
Hannah stand auf dem Dach der Schule. Figen kam dazu, mit Paul an der Hand. Die Nacht war heller als sie es jemals bei Vollmond gewesen ist.
„Was ist das?“, fragte Hannah.
„Das ist ein Zeichen“, sagte Figen.
Hannah konnte alle Sterne sehen, außer dort, wo der große Stern erschienen war.
Der Stern teilte sich. Winzige Sterne entfernten sich von ihm, wurden aber rasch größer – sie kamen näher und immer näher. Der erste prallte auf die Atmosphäre auf. Die Luftmassen explodierten in alle Richtungen und auch das Licht verwandelte sich in eine gewaltige Explosion – größer, als jede Atombomben-Explosion die die Menschen bis dahin gesehen hatten (und sie hatten einige gesehen). Der Himmel fing Feuer und brannte so gewaltig, wie das Rot der untergehenden Sonne. Dann prallte das nächste Licht auf und durchbrach die Luftmassen. Wie eine Gewehrkugel trieb sie einen Trichter in die Atmosphäre. Wände aus Gas jagten durch Wälder, mähten die Bäume nieder, als wären sie Grashalme und ließen sie in einer Wolke aus Staub und Gestein verschwinden. Und weitere Lichter regneten auf die Erde herab. Sie schlugen in den Boden ein, mit einer Wucht, dass sich ganze Gebirge, ganze Länder und sogar Kontinente bewegten. Der Boden, Gestein, ganze Berge schienen flüssig geworden zu sein und bewegten sich wie eine Welle hunderte Kilometer über das Land und die Meere. Die Einschläge trieben den Staub bis in den Weltraum hoch. Die Druckwellen umrundeten den Erdball, prallten ineinander, verwirbelten und erzeugten Tornados die Seen aussaugen konnten. Gesteinsbrocken von der Erde kehrten auch wieder zur Erde zurück, so zahlreich wie ein Regenschauer.
Zuletzt schlug der große Stern im Meer ein. Die Wellen, die der Einschlag erzeugte, türmten sich höher auf, als die höchsten Berge auf der Welt. Sie hatten den Planeten in kurzer Zeit zweimal überschwemmt.
Die Welt schien überzogen von schwarzen, dichten Wolken und sie brannten.
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