Dienstag, 27. Mai 2014

DS AXII 833 - Ruinenspringen


Erst kannst du einwenig leben aber irgendwann bist du weg.
„Das ist ein Fluss“, murmelte Axii.
Es ist ein Fluss. Du bist nur an einer Stelle – so klein wie ein Atom und dann bist du weg. Du bist irgendwann weg. Geh mir also aus den Augen. Hau ab, du kannst tun was du willst.
„Nein“, keuchte Axii und wachte ganz auf.

Alicen wartete schon vor dem Tor.
„Warum trägst du immer diese Jacke?“, fragte er.
Axii zuckte mit den Schultern.
„Lass uns zum Strand runter fahren“, sagte Alicen.
„Was willst du da?“
„Da sind die versunkenen Ruinen, wo die Taucherschule ist – wir springen von den Ruinen ins Wasser.“
Axii grinste. „Du bist bescheuert.“
„Nein, ich bin fantastisch“, sagte Aicen, „so fantastisch, wie kaum jemand anderes!“ Er schlug sich mit den Händen auf die Brust. „Siehst du? Siehst du, wie fantastisch ich bin?“
Axii ging zum Bahnhof runter.
„He! Warte! Sag, dass ich fantastisch bin“, rief Alicen ihm nach.
„Du bist fantastisch“, sagte Axii gelangweilt.
Der Bahnhof thronte auf einer alten Ruine aus der alten Zeit. Sie stiegen in einen Aufzug und kamen auf den Gleisen raus.
„Fanka hat gefragt, ob sie mit darf“, sagte Alicen.
„Und?“, fragte Axii.
„Ich habe ja gesagt.“
„Gut. Wo treffen wir sie?“
„Tja“, sagte Alicen, „ich glaube, am Strand, glaube ich.“
Die Magnetbahn kam. Sie stiegen ein.

Axii schüttelte das Feuerzeug in seiner Faust. Er blieb stehen, um sich die Zigarette in seinen Lippen an zu machen. Dann pustete er den Rauch in die Luft.
„Willst du auch?“, fragte er Alicen.
„Quatsch, ich rauche doch gar nicht.“
Axii schubste ihn.
„Gestern hast du geraucht.“
Alicen lachte künstlich.
„Wenn ich rauchen würde, wäre ich nicht so fantastisch, du Ratte.“
„Oh man, nennmich nicht immer Ratte.“
Alicen lachte echt.
„Warum? Du siehst manchmal wie eine aus – wenn deine Ohren zwischen deinen Haaren heraus gucken.“
Axii patschte sich seine Haare über die Ohren und Alicen lachte noch mehr. Axii schubste ihn noch einmal.
„Du siehst eher aus wie eine Maus aber du willst bestimmt nicht, dass ich dich Maus nenne, oder?“
„Nein!“
Fanka kam ihnen entgegen.
„Was ist?“, fragte sie.
„Wir gehen von Ruinen runter springen, kommst du mit?“, fragte Alicen.
Fanke sah sie an, als seien sie nicht ganz richtig im Kopf.
„Ehrlich“, sagte Alicen.
„Na schön, ich schau euch zu“, sagte sie.
Zu dritt gingen sie zum Strand runter und dann am Ufer entlang. Die Sonne brannte auf ihre Köpfe herab.
Da kamen sie an einem Eisstand vorbei. Den Eisverkäufer kannten sie schon vom letzten Mal.
„Was bekommt ihr?“
„Drei Pingus“, sagte Axii. Ein Pingu war Eis der Ähnlichkeit mit einem Pinguin hatte.
„Hab ich nicht“, sagte der Eisverkäufer, „wie wäre es mit Joghurt-Apfel?“
Axii schüttelte den Kopf. Joghurt-Apfel schmeckte zwar genauso wie ein Pingu aber man konnte keinen Pinguin-Kopf abbeisen oder an den Flügeln knabbern.
„Ne, lieber Pingus“, sagte er.
„Hab ich nicht.“
Axii drehte den Dyson-Schein in seinen Händen.
„Joghurt-Apfel schmeckt genauso“, sagte der Eisverkäufer. „Oder nimm etwas anderes.“
„Ja“, sagte Axii.
Der Eisverkäufer wartete.
„Und? Was bekommst du jetzt?“
„Hm, drei Pingus.“
Der Eisverkäufer verdrehte die Augen.
„Hau ab“, sagte er.
Mit drei blöden Joghurt-Äpfeln ging es weiter bis zu einer Stelle in der eine alte Straße im Meer versank. Man konnte sie unter Wasser noch einige Meter weit sehen, bis sie im tieferen Wasser verschwand. Und dort ragten alte Reihenhäuser aus dem Wasser. Die Schrägdächer waren zum größten Teil eingestürzt und überall klebten grüne Algen.
„Da wollt ihr echt rüber?“, fragte Fanka.
Alicen zog sich die Schuhe aus und sprang in die Wellen rein. Axii und Fanka gingen über eine breite Mauer, die ein Stück weiter aus dem Wasser ragte zu den Ruinen. Über eine rostige Feuerleiter kletterten sie auf das Dach. Alicen kam pitschnass von der anderen Seite herauf – dort reichte der Wasserspiegel bis zur obersten Etage und er konnte sich aufs Dach ziehen.
„Ich springe von da oben“, rief er und zeigte auf die höchste Stelle die das Dachgerüst bot. Er kletterte auch sofort hinauf. Axii folgte ihm vorsichtig.
„Komm Fanka“, sagte er.
„Ne, ich – macht mal.“
Alicen sprang runter. Wie eine Nadel spießte er sich ins Wasser und verschwand unter tausenden von Bläschen und tauchte dann nach einer Weile wieder auf und grinste zu ihnen hoch.
„Du bist dran“, rief er zu Axii.
Axii zog sich seine Jacke und die Schuhe aus und sprang auch. Und Fanka ließ sich schließlich auch ins Wasser gleiten. Sie legte sich auf den Rücken und ließ sich treiben. Axii und Alicen kletterten wieder auf das Dachgerüst um noch einmal zu springen.
„Lets go to the Klo“, summte Fanka.
Alicen landete nicht weit von ihr ins Wasser.
„Ah!“
Axii rutschte aus und fiel ins Innere der Ruine. Alicen verdrehte die Augen.
„War ja klar.“
Fanka schwam zurück und kletterte aus dem Wasser. Sie schaute zu Axii runter. Er kam grinsend zu ihr geschwommen.
„Alles okay?“, fragte sie. Er nickte.
Alicen kletterte wieder hinauf, um zu springen.
„Ich frage mich manchmal, wer in diesen Ruinen gelebt hatte“, sagte Fanka und half Axii aus dem Wasser.
„Die Deutschen“, sagte Axii.
„Wer?“
Axii zuckte mit den Schultern.
„Die Deutschen.“
„Wer soll das sein?“
„Ich glaube, das waren Menschen und... - sahen aus wie Industrie-Schweine – diese lilanen.“
„Du labberst manchmal ein Schwachsinn.“
Axii legte sich auf einen Balken, um sich in der Sonne zu trocknen.
„Das habe ich im Netz gelesen“, sagte er. „Die waren ganz hell – nicht alle, aber die meisten.“
„Ich habe mal gehört, dass die Menschen früher immer im Haus geblieben sind und deswegen so hell waren, weil sie nie in die Sonne gingen“, sagte Fanka.
Alicen setzte sich neben Axii.
„Worüber redet ihr?“
„Über die Menschen aus der alten Zeit.“
Alicen zuckte mit den Schultern.
„Waren nicht anders als wir.“
„Aber sie waren alle so hell“, sagte Fanka.
„Na und?“
„Das ist doch komisch“, sagte sie.
Alicen lachte.
„Ja, sie waren zum lachen. Genau wie wir.“

Noch immer etwas nass gingen die Drei über die Asakusa-Brücke. Unter ihnen floss der Rhein. Neben ihnen rasten Autos in die eine Richtung und auf der anderen Bahn in die andere Richtung. Über ihnen summte eine Magnetbahn vorbei. Alicen filmte sie.
„Ich glaube, hier lebten die Niderländer und nicht die Deutschen aber ich weiß es nicht genau“, sagte Alicen. Sie hatten sich die ganze Zeit darüber unterhalten. Einmal wollten sie in ein Museum gehen um es genauer zu erfahren aber zuerst mussten sie heraus finden wo ein Museum war.
„Ist ja auch egal“, sagte Fanka. „Wohin gehen wir eigentlich?“
Axii zuckte mit den Schultern.
„Lasst uns mit der Bahn ins Outland fahren“, schlug Alicen vor.
„Das dauert mir zu lange“, sagte Fanka. „Das dauert Stunden.“
„Na und?“, sagte Alicen. „Sollte es uns langweilig werden, steigen wir einfach aus.“
Fanka überlegte.
„Von mir aus“, sagte Axii.
„Okay“, sagte Fanka.
Alicen seufzte. „Ne, ich hab keine Lust.“

Nachmittag. Draußen knapp 25 Grad. Die Drei saßen in einem Abteil. Der Zug fuhr die große Runde durch die Stadt. Alicen filmte Axii.

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