Charakteristisch für vermeidende Persönlichkeiten ist, dass sie sich unsicher, gehemmt, unattraktiv und minderwertig fühlen und aus Angst vor Kritik, Zurückweisung und Verspottung soziale Kontakte meiden. Dabei geraten sie nicht selten in Soziale Isolation. Ihr geringes Selbstvertrauen wird von anderen meist positiv oder gar nicht gesehen, weil sie sich nicht in den Vordergrund drängen, bescheiden, „pflegeleicht“ und verlässlich sind, problemlos zu gängeln, trauen sie sich doch ohnehin nichts zu, insbesondere nicht "Nein" zu sagen. Nicht selten genießen diese Menschen sogar ein hohes Ansehen bei ihren Mitmenschen, da sie stets versuchen, ihren scheinbar "minderwertigen" Charakter durch sehr gute Leistungen im Beruflichen bzw. sehr hohe Aufopferungsbereitschaft innerhalb des Bekanntenkreises zu kompensieren. Schon früh macht sich bei ihnen eine belastende soziale Gehemmtheit bemerkbar, Unfähigkeitsgefühle, Überempfindlichkeit gegenüber negativer Kritik, Schüchternheit, leichtes Erröten und schnelle Verlegenheit. Immer häufiger werden aber auch so genannte biogenetische Ursachen diskutiert, vor allem eine persönlichkeitstypische Vulnerabilität (= Verwundbarkeit) in Form innerer Unruhe, Anspannung, Nervosität und damit mangelhafter Reagibilität und schließlich Verletzbarkeit. kurz: Eine genetische Prädisposition (erblich bedingte Anlage), die bei ungpnstiger Kombination durch die drohenden negativen psychosozialen Einflüsse im Alltag schließlich lebenslang belastet. Persönlichkeitsstörungen werden oftmals von Verwandten 1. Grades weitervererbt und zudem liegen somit auch pathogene (=krankhafte) Familienverhältnisse vor, die dann zum Ausbruch der Störung beim Kind führen. Sie können dabei in einen Konflikt zwischen Bindungs- und Autonomiebedürfnis verfallen. Einerseits sehnen sie sich nach Nähe und Sicherheit, andererseits vermeiden sie enge Beziehungen. Die betreffenden Kinder zum Beispiel fallen entweder durch ein schnell reizbares und überdrehtes („cranky“) Interaktionsmuster oder aber durch ein verschlossenes und in sich gekehrtes Verhalten auf. Zudem können sie von den Eltern zurückgewiesen und abgewertet werden, ebenso von Freunden und anderen nahe stehenden Personen. Das könnte zur Folge haben, dass sich die zunächst nur von außen erfahrbaren Zurückweisungen und Abwertungen in Selbstabwertung und Selbstentfremdung fortsetzen, Selbstwert kann dadurch nicht aufgebaut werden. Freundschaften und soziale Bindungen können dadurch kontinuierlich abgesetzt werden. Zusätzlich unterschätzen sie ihre eigenen interpersonellen Fähigkeiten und haben in Stresssituationen oft ungünstige, negative und selbstkritische Gedanken. Ihr Verhalten ist Ausdruck von Angst und Hilflosigkeit gegenüber den elterlichen Erziehungspraktiken; bisweilen später Entfremdung. Eltern werden als unterdrückend, einengend, emotionsarm und wenig einfühlend erlebt. Unter solchen und ähnlichen Erziehungsbedingungen würde sich die Persönlichkeitsentwicklung eines solches Kindes fast zwangsläufig in Richtung Ängstlichkeit und soziale Vermeidung sozialer Herausforderungen bewegen. Die natürlichen Energien und Möglichkeiten seien dadurch bald erschöpft. Die Zurückweisungen und Abwertungen mündeten notgedrungen schließlich in eine Selbstabwertung und Selbstentfremdung. Und dies alles führe schließlich dazu, dass Freundschaften und soziale Bindungen kontinuierlich gemieden würden oder zumindest zunehmend angstbesetzt seien, was letzten Endes auch zu der verhängnisvollen Vermeidungs-Strategie beitrage. Die gelegentlich irreführend selbstsichere Erscheinung ist eine Art „äußere Maske“ als Folge einer darunterliegenden chronischen Anspannung zum Schutz der leicht aktivierbaren Vulnerabilität. Es entsteht bei ihnen eine ständige Angst und Anspannung, die zum Rückgang von sozialen Kompetenzen führen. Dies wiederum erzeugt einen Teufelskreis, so dass sie sich entweder gar nicht mehr auf soziale Beziehungen und berufliche Aufgaben einlassen oder nur noch dann, wenn sie sich sicher sind, dass sie dabei nicht verletzt werden. Ständige Selbstzweifel plagen sie. In Gesprächen mit anderen halten sie keinen Augenkontakt, sondern fixieren andere Regionen des Gegenübers oder Gegenstände im Raum. Zu neuen Erfahrungen oder für alternative Möglichkeiten sind sie immer weniger bereit. In sozialen Kontakten wirken sie unzufrieden, gequält, distanziert, der Redefluss ist zu zäh und stockend. Potentielle Partner müssen bei ihnen oft jahrelange „Prüfungen“ durchlaufen, um wirklich intim zugelassen zu werden. Beziehungen sind daher selten und oft konfliktbeladen. Starke Verlassensängste und Abgrenzungsprobleme führen oft zu Beziehungszusammenbrüchen und damit eine Wiederholung ihrer Befürchtungen.
Die gehemmte Persönlichkeitsstörung lässt sich weiter in zwei Subtypen aufteilen, deren Verteilung etwa identisch ist.
kühl-distanziert: Die eine Gruppe lässt sich als „kühl-distanziert und sozial-vermeidend“ („cold-avoidant“) beschreiben. Sie haben Probleme, warme Gefühle auszudrücken, und sind misstrauisch anderen gegenüber.
nachgiebig-ausnutzbar: Charakteristisch für die „nachgiebig-ausnutzbare“ („exploitable-avoidant“) Gruppe ist, dass sie sich von anderen ausgenutzt fühlen oder werden und es ihnen Probleme macht, anderen Grenzen aufzuzeigen (= nein sagen). Im sexuellen Bereich kann dies oft Abgrenzungsprobleme geben, die Missbrauch durch andere begünstigen.
Es handelt sich bei den beiden Gruppen um "Idealtypen". Eine genaue Abgrenzung ist nur selten möglich, Mischbilder sind häufig. Die Prävalenz (Häufigkeit) dieser Persönlichkeitsstörung liegt bei 0,5 - 1%. Im Gegensatz zu vielen anderen Persönlichkeitsstörungen, wie z. Bsp. der Schizoiden Persönlichkeitsstörung oder der antisozialen Persönlichkeitsstörung, verspüren die Betroffenen einen hohen Leidensdruck und sind sich oftmals auch einer Störung bewusst. Da die Lebensqualität der Betroffenen dadurch sehr eingeschränkt ist, sind viele auch bereit professionelle Hilfe anzunehmen. Daher weisen Menschen mit einer ÄVPS eine hohe Compliance.
Die Wahl der Therapie sollte vom Patienten mitbestimmt werden und es sollten ihm/ihr genügend Möglichkeiten eingeräumt werden, die eigenen Unsicherheiten und Widersprüche zu erkennen. Durch Training sozialer Kompetenzen sowie durch Stärkung des Selbstbewusstseins können Betroffene profitieren. Dafür können verschiedene Techniken wie gezielte Hilfestellungen, Verhaltensrückmeldungen, Rollenspiele oder Video-Feedback genutzt werden. Allerdings werden Gefühle der Einsamkeit und mögliche Depressionen nicht dadurch aufgearbeitet. Um diese zu bekämpfen, braucht es viel Zeit (unter Umständen über die Therapie hinaus) – sie verringern sich oft durch steigende (positive) soziale Kontakte. Die Einübung prosozialer Autonomie ist der einsichtsorientierten Therapie überlegen. Pharmazeutika können in Ausnahmefällen genutzt werden, stellen aber auf keinen Fall ein zentrales Therapiemittel dar.
http://de.wikipedia.org/wiki/Selbstunsicher-vermeidende_Pers%C3%B6nlichkeitsst%C3%B6rung
http://www.psychosoziale-gesundheit.net/psychiatrie/selbstunsicherheit.html
... Zu selbstkritisch, hält sich für unzureichend, mangelhaft, unattraktiv, meint, die anderen sehen das auch so, weshalb er sich lieber (ängstlich) bedeckt halten sollte, fühlt sich gelegentlich sogar bedroht und neigt vor allem dazu, selbst positive Rückmeldungen nicht ernst zu nehmen oder gar abzuwerten ...
Möglich, wenngleich eher selten ist im Rahmen einer Psychoanalyse (siehe diese) eine Fokal-Therapie, eine psychoanalytische Kurzzeit-Therapie oder die Langzeitbehandlung mit dem Couchsetting, also die klassische Situation des liegenden Patienten mit dem Therapeuten am Kopfende. Bei der so genannten Interpersonellen Psychotherapie wird gelegentlich zur Verstärkung der Lernerfahrung auch psychoedukativ vorgegangen, d. h. zwischen den Psychotherapie-Sitzungen im direkten Lebensumfeld übend.
Das leitet zur Verhaltenstherapie über, die immer häufiger genutzt wird. Gerade soziale Unsicherheiten, Sozialphobien und sonstige soziale Ängste gehören zu den bestuntersuchten Störungsbereichen im Rahmen einer Verhaltenstherapie. Deshalb gibt es nach Ansicht vieler Fachleute hier die am weitesten ausgearbeiteten Therapiekonzepte, auch an Patienten mit selbstunsicherer Persönlichkeitsstörung.
Mittelpunkt einer solchen Behandlung ist das Training sozialer Fertigkeiten, das zumeist in Therapiegruppen durchgeführt wird (siehe unten). Dazu gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Techniken, z. B. (in der Fachsprache): Verhaltenseinübung, Modellvorgabe, direkte Instruktionen, gezielte Hilfestellungen, Verhaltensrückmeldungen, Rollenspiele, Video-Feedback, direkte Übungen in Alltagssituationen u.a.
Die Erfolge sind teils ermutigend, teils begrenzt. Besonders die Gefühle von Einsamkeit und Alleingelassensein scheinen sich auch durch ein intensives Sozialtraining nicht in jedem Fall so beeinflussen zu lassen, dass man am Schluss der Therapie von "Normalität" sprechen könnte. Aber auch eine Milderung der psychosozialen Beeinträchtigungen im Alltag kann gerade bei Persönlichkeitsstörungen als ein erfreulicher (Teil-)Erfolg gewertet werden.
Vor allem diese Erkenntnis lässt mitunter eine parallel laufende Behandlung von Gruppen- und Einzeltherapie sinnvoll erscheinen. In Letzterer kann vor allem intensiver an allgemeine Lebensprobleme und Lebensziele des Patienten herangegangen werden. Aufgrund der ja tiefen Unsicherheit muss man dem Patienten mitunter längere Zeit und auch persönliche Möglichkeiten einräumen, sich mit der Realität der eigenen Unsicherheit und Widersprüche auseinander zusetzen. Dies wiederum lässt sich eher in einzeltherapeutischen Gespräche realisieren, wenngleich unterstützt durch die erwähnte Gruppentherapie. Entscheidend ist offenbar die Kombination aus einsichts-orientierter Therapie sowie Einübung "prosozialer Autonomie".
In nicht wenigen Fällen ist es also nicht sinnvoll, allzu lange "einsichts-orientiert" zuzuwarten, bis sich die gesellschaftliche Autonomie langsam zu entfalten beginnt. Erfolgreicher ist eine möglichst frühzeitige wechselseitige Verstärkung dieser beiden Behandlungsstrategien - so die neueren Erkenntnisse.
Ob sich das im Alltag von Klinik und Praxis auch durchsetzen lässt, zumindest in absehbarer Zeit, wird allerdings von manchen Wissenschaftlern bezweifelt. Doch gerade die selbstunsichere Persönlichkeitsstörung wäre ein schönes Beispiel für die (wiederentdeckte) Möglichkeit, unterschiedliche therapeutische Strategien und Methoden zeitgleich durchzuführen.
Dies vor allem im Interesse einer Gruppe von Patienten, die von ihrem Leiden zwar "lautlos", im Grunde aber besonders hart beeinträchtigt, weil vor allem in ihrer zwischenmenschlichen Entfaltung einschließlich beruflicher Konsequenzen benachteiligt sind.
1 Kommentar:
Es hat über dreißig Jahre gedauert, bis meine ÄVPS diagnostiziert wurde. Dabei hätte man sie rückblickend betrachtet schon in frühester Kindheit feststellen müssen. Vielleicht hätte eine frühzeitige Therapie noch Aussichten auf Erfolg gehabt. Jetzt, mit Mitte dreißig, hat sich die Störung so verfestigt, dass alle bisherigen Therapieversuche im Sande verlaufen sind, und eine Dysthymie mitsamt der daraus resultierenden kognitiven Störungen hat sich natürlich auch noch draufgesetzt. Ich werde diesen Mist wohl mit ins Grab nehmen. Bleibt nur zu hoffen, dass er nicht nur die Lebensqualität, sondern auch die Lebenserwartung mindert.
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