Freitag, 30. Juli 2010
Donnerstag, 29. Juli 2010
Gedanken (6)
Ich würde rausgehen und durch die Straßen wandern und schließlich wieder in die Wohnung gehen und wieder hier sitzen. Vielleicht sollte ich einfach schlafen gehen...
Ich habe meinen Termin nicht wahrgenommen... der Boden ist etwas schmutzig - ich sollte fegen... in Kommern gibt es anscheinend Ratten und ich bin eine davon...
Quick!
Dienstag, 27. Juli 2010
Montag, 26. Juli 2010
Sonntag, 25. Juli 2010
Gedanken (5)
Sie sind wie der Urknall. Woher er kommt, welchen Grund er hatte zu kommen und was davor passierte, kann man sich nur ausmalen. Aber das Universum ist da und breitet sich unaufhörlich aus. Und anstatt langsamer zu werden, wird es schneller und immer größer.
Am Ende lindert jedes Mal eine Salbe aus Worten, aber Trümmer bleiben zurück. Und man steht mit einem kläglichen Besen weit weg vom Horizont an dem die Sonne langsam untergeht.
Ich trinke Wasser aus der Flasche. Ich bin noch ein Flaschenkind. Und jetzt übernehme ich die Kontrolle über ein ganzes Leben. Ich fühle Freude und ich fühle Angst, denn es gibt zwei Möglichkeiten wie es ausgehen kann.
Ich sitze vor dem Computer. Ich bin verschlossen in einem Raum aus dem ich nicht mehr entkommen kann, weil ich nicht mehr will.
Ich sitze im Cafe und unterhalte mich mit Freunden. Ich bin frei und die Welt liegt vor mir, weil ich sie entdecken will.
Ab Mittwoch scheint die Sonne...
Freitag, 23. Juli 2010
Vulnerabilität
wie dünne haut bist du
leicht zu durchstechen
mit stumpfen dingen
wie den wörtern der menschen
dem verhalten mit verschlossenen augen
und der unwissenheit
dem verlangen danach den größtmöglichen nutzen zu ziehen
und des unwissenden gern-haben deiner unbekannten person
doch es liegt allein an dir und deines kränklichen selbst
weil du deine sensibilität in den falschen momenten zu hoch geschraubt hast
weil du in einem ständigem gegensatz lebst
im verlangen danach gemocht zu werden und dem nicht-glauben daran
dein ich hat sich mit dem "ja" angefreundet
all dein bemühen nach nähe baut auf materiellen leistungen für andere auf
du weißt nicht wie die reale welt funktioniert
deine tiefste stelle des lebens ist die isolation
dann hast du nur noch eine morsche leiter nach oben...
Donnerstag, 22. Juli 2010
Selbstunsicher-vermeidende Persönlichkeitsstörung
Charakteristisch für vermeidende Persönlichkeiten ist, dass sie sich unsicher, gehemmt, unattraktiv und minderwertig fühlen und aus Angst vor Kritik, Zurückweisung und Verspottung soziale Kontakte meiden. Dabei geraten sie nicht selten in Soziale Isolation. Ihr geringes Selbstvertrauen wird von anderen meist positiv oder gar nicht gesehen, weil sie sich nicht in den Vordergrund drängen, bescheiden, „pflegeleicht“ und verlässlich sind, problemlos zu gängeln, trauen sie sich doch ohnehin nichts zu, insbesondere nicht "Nein" zu sagen. Nicht selten genießen diese Menschen sogar ein hohes Ansehen bei ihren Mitmenschen, da sie stets versuchen, ihren scheinbar "minderwertigen" Charakter durch sehr gute Leistungen im Beruflichen bzw. sehr hohe Aufopferungsbereitschaft innerhalb des Bekanntenkreises zu kompensieren. Schon früh macht sich bei ihnen eine belastende soziale Gehemmtheit bemerkbar, Unfähigkeitsgefühle, Überempfindlichkeit gegenüber negativer Kritik, Schüchternheit, leichtes Erröten und schnelle Verlegenheit. Immer häufiger werden aber auch so genannte biogenetische Ursachen diskutiert, vor allem eine persönlichkeitstypische Vulnerabilität (= Verwundbarkeit) in Form innerer Unruhe, Anspannung, Nervosität und damit mangelhafter Reagibilität und schließlich Verletzbarkeit. kurz: Eine genetische Prädisposition (erblich bedingte Anlage), die bei ungpnstiger Kombination durch die drohenden negativen psychosozialen Einflüsse im Alltag schließlich lebenslang belastet. Persönlichkeitsstörungen werden oftmals von Verwandten 1. Grades weitervererbt und zudem liegen somit auch pathogene (=krankhafte) Familienverhältnisse vor, die dann zum Ausbruch der Störung beim Kind führen. Sie können dabei in einen Konflikt zwischen Bindungs- und Autonomiebedürfnis verfallen. Einerseits sehnen sie sich nach Nähe und Sicherheit, andererseits vermeiden sie enge Beziehungen. Die betreffenden Kinder zum Beispiel fallen entweder durch ein schnell reizbares und überdrehtes („cranky“) Interaktionsmuster oder aber durch ein verschlossenes und in sich gekehrtes Verhalten auf. Zudem können sie von den Eltern zurückgewiesen und abgewertet werden, ebenso von Freunden und anderen nahe stehenden Personen. Das könnte zur Folge haben, dass sich die zunächst nur von außen erfahrbaren Zurückweisungen und Abwertungen in Selbstabwertung und Selbstentfremdung fortsetzen, Selbstwert kann dadurch nicht aufgebaut werden. Freundschaften und soziale Bindungen können dadurch kontinuierlich abgesetzt werden. Zusätzlich unterschätzen sie ihre eigenen interpersonellen Fähigkeiten und haben in Stresssituationen oft ungünstige, negative und selbstkritische Gedanken. Ihr Verhalten ist Ausdruck von Angst und Hilflosigkeit gegenüber den elterlichen Erziehungspraktiken; bisweilen später Entfremdung. Eltern werden als unterdrückend, einengend, emotionsarm und wenig einfühlend erlebt. Unter solchen und ähnlichen Erziehungsbedingungen würde sich die Persönlichkeitsentwicklung eines solches Kindes fast zwangsläufig in Richtung Ängstlichkeit und soziale Vermeidung sozialer Herausforderungen bewegen. Die natürlichen Energien und Möglichkeiten seien dadurch bald erschöpft. Die Zurückweisungen und Abwertungen mündeten notgedrungen schließlich in eine Selbstabwertung und Selbstentfremdung. Und dies alles führe schließlich dazu, dass Freundschaften und soziale Bindungen kontinuierlich gemieden würden oder zumindest zunehmend angstbesetzt seien, was letzten Endes auch zu der verhängnisvollen Vermeidungs-Strategie beitrage. Die gelegentlich irreführend selbstsichere Erscheinung ist eine Art „äußere Maske“ als Folge einer darunterliegenden chronischen Anspannung zum Schutz der leicht aktivierbaren Vulnerabilität. Es entsteht bei ihnen eine ständige Angst und Anspannung, die zum Rückgang von sozialen Kompetenzen führen. Dies wiederum erzeugt einen Teufelskreis, so dass sie sich entweder gar nicht mehr auf soziale Beziehungen und berufliche Aufgaben einlassen oder nur noch dann, wenn sie sich sicher sind, dass sie dabei nicht verletzt werden. Ständige Selbstzweifel plagen sie. In Gesprächen mit anderen halten sie keinen Augenkontakt, sondern fixieren andere Regionen des Gegenübers oder Gegenstände im Raum. Zu neuen Erfahrungen oder für alternative Möglichkeiten sind sie immer weniger bereit. In sozialen Kontakten wirken sie unzufrieden, gequält, distanziert, der Redefluss ist zu zäh und stockend. Potentielle Partner müssen bei ihnen oft jahrelange „Prüfungen“ durchlaufen, um wirklich intim zugelassen zu werden. Beziehungen sind daher selten und oft konfliktbeladen. Starke Verlassensängste und Abgrenzungsprobleme führen oft zu Beziehungszusammenbrüchen und damit eine Wiederholung ihrer Befürchtungen.
Die gehemmte Persönlichkeitsstörung lässt sich weiter in zwei Subtypen aufteilen, deren Verteilung etwa identisch ist.
kühl-distanziert: Die eine Gruppe lässt sich als „kühl-distanziert und sozial-vermeidend“ („cold-avoidant“) beschreiben. Sie haben Probleme, warme Gefühle auszudrücken, und sind misstrauisch anderen gegenüber.
nachgiebig-ausnutzbar: Charakteristisch für die „nachgiebig-ausnutzbare“ („exploitable-avoidant“) Gruppe ist, dass sie sich von anderen ausgenutzt fühlen oder werden und es ihnen Probleme macht, anderen Grenzen aufzuzeigen (= nein sagen). Im sexuellen Bereich kann dies oft Abgrenzungsprobleme geben, die Missbrauch durch andere begünstigen.
Es handelt sich bei den beiden Gruppen um "Idealtypen". Eine genaue Abgrenzung ist nur selten möglich, Mischbilder sind häufig. Die Prävalenz (Häufigkeit) dieser Persönlichkeitsstörung liegt bei 0,5 - 1%. Im Gegensatz zu vielen anderen Persönlichkeitsstörungen, wie z. Bsp. der Schizoiden Persönlichkeitsstörung oder der antisozialen Persönlichkeitsstörung, verspüren die Betroffenen einen hohen Leidensdruck und sind sich oftmals auch einer Störung bewusst. Da die Lebensqualität der Betroffenen dadurch sehr eingeschränkt ist, sind viele auch bereit professionelle Hilfe anzunehmen. Daher weisen Menschen mit einer ÄVPS eine hohe Compliance.
Die Wahl der Therapie sollte vom Patienten mitbestimmt werden und es sollten ihm/ihr genügend Möglichkeiten eingeräumt werden, die eigenen Unsicherheiten und Widersprüche zu erkennen. Durch Training sozialer Kompetenzen sowie durch Stärkung des Selbstbewusstseins können Betroffene profitieren. Dafür können verschiedene Techniken wie gezielte Hilfestellungen, Verhaltensrückmeldungen, Rollenspiele oder Video-Feedback genutzt werden. Allerdings werden Gefühle der Einsamkeit und mögliche Depressionen nicht dadurch aufgearbeitet. Um diese zu bekämpfen, braucht es viel Zeit (unter Umständen über die Therapie hinaus) – sie verringern sich oft durch steigende (positive) soziale Kontakte. Die Einübung prosozialer Autonomie ist der einsichtsorientierten Therapie überlegen. Pharmazeutika können in Ausnahmefällen genutzt werden, stellen aber auf keinen Fall ein zentrales Therapiemittel dar.
http://de.wikipedia.org/wiki/Selbstunsicher-vermeidende_Pers%C3%B6nlichkeitsst%C3%B6rung
http://www.psychosoziale-gesundheit.net/psychiatrie/selbstunsicherheit.html
... Zu selbstkritisch, hält sich für unzureichend, mangelhaft, unattraktiv, meint, die anderen sehen das auch so, weshalb er sich lieber (ängstlich) bedeckt halten sollte, fühlt sich gelegentlich sogar bedroht und neigt vor allem dazu, selbst positive Rückmeldungen nicht ernst zu nehmen oder gar abzuwerten ...
Möglich, wenngleich eher selten ist im Rahmen einer Psychoanalyse (siehe diese) eine Fokal-Therapie, eine psychoanalytische Kurzzeit-Therapie oder die Langzeitbehandlung mit dem Couchsetting, also die klassische Situation des liegenden Patienten mit dem Therapeuten am Kopfende. Bei der so genannten Interpersonellen Psychotherapie wird gelegentlich zur Verstärkung der Lernerfahrung auch psychoedukativ vorgegangen, d. h. zwischen den Psychotherapie-Sitzungen im direkten Lebensumfeld übend.
Das leitet zur Verhaltenstherapie über, die immer häufiger genutzt wird. Gerade soziale Unsicherheiten, Sozialphobien und sonstige soziale Ängste gehören zu den bestuntersuchten Störungsbereichen im Rahmen einer Verhaltenstherapie. Deshalb gibt es nach Ansicht vieler Fachleute hier die am weitesten ausgearbeiteten Therapiekonzepte, auch an Patienten mit selbstunsicherer Persönlichkeitsstörung.
Mittelpunkt einer solchen Behandlung ist das Training sozialer Fertigkeiten, das zumeist in Therapiegruppen durchgeführt wird (siehe unten). Dazu gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Techniken, z. B. (in der Fachsprache): Verhaltenseinübung, Modellvorgabe, direkte Instruktionen, gezielte Hilfestellungen, Verhaltensrückmeldungen, Rollenspiele, Video-Feedback, direkte Übungen in Alltagssituationen u.a.
Die Erfolge sind teils ermutigend, teils begrenzt. Besonders die Gefühle von Einsamkeit und Alleingelassensein scheinen sich auch durch ein intensives Sozialtraining nicht in jedem Fall so beeinflussen zu lassen, dass man am Schluss der Therapie von "Normalität" sprechen könnte. Aber auch eine Milderung der psychosozialen Beeinträchtigungen im Alltag kann gerade bei Persönlichkeitsstörungen als ein erfreulicher (Teil-)Erfolg gewertet werden.
Vor allem diese Erkenntnis lässt mitunter eine parallel laufende Behandlung von Gruppen- und Einzeltherapie sinnvoll erscheinen. In Letzterer kann vor allem intensiver an allgemeine Lebensprobleme und Lebensziele des Patienten herangegangen werden. Aufgrund der ja tiefen Unsicherheit muss man dem Patienten mitunter längere Zeit und auch persönliche Möglichkeiten einräumen, sich mit der Realität der eigenen Unsicherheit und Widersprüche auseinander zusetzen. Dies wiederum lässt sich eher in einzeltherapeutischen Gespräche realisieren, wenngleich unterstützt durch die erwähnte Gruppentherapie. Entscheidend ist offenbar die Kombination aus einsichts-orientierter Therapie sowie Einübung "prosozialer Autonomie".
In nicht wenigen Fällen ist es also nicht sinnvoll, allzu lange "einsichts-orientiert" zuzuwarten, bis sich die gesellschaftliche Autonomie langsam zu entfalten beginnt. Erfolgreicher ist eine möglichst frühzeitige wechselseitige Verstärkung dieser beiden Behandlungsstrategien - so die neueren Erkenntnisse.
Ob sich das im Alltag von Klinik und Praxis auch durchsetzen lässt, zumindest in absehbarer Zeit, wird allerdings von manchen Wissenschaftlern bezweifelt. Doch gerade die selbstunsichere Persönlichkeitsstörung wäre ein schönes Beispiel für die (wiederentdeckte) Möglichkeit, unterschiedliche therapeutische Strategien und Methoden zeitgleich durchzuführen.
Dies vor allem im Interesse einer Gruppe von Patienten, die von ihrem Leiden zwar "lautlos", im Grunde aber besonders hart beeinträchtigt, weil vor allem in ihrer zwischenmenschlichen Entfaltung einschließlich beruflicher Konsequenzen benachteiligt sind.
Dienstag, 20. Juli 2010
Alles was ich will (2)
Meine beste Freundin, Anita, hatte kein Niveau. Das ich das gedacht habe tut mir genauso Leid wie es mir Leid tut, dass ich meine Mutter hab sitzen lassen. Ich kann sie nicht beschreiben, aber damals hatte ich das Gefühl, dass sie ein noch größerer Außenseiter war als ich, mit dem Unterschied, dass sie es nicht merkte. Vielleicht aber überspielte sie es einfach nur kläglich.
Kennengelernt habe ich sie am ersten Tag, als ich auf die weiterführende Schule kam. Sie setzte sich im Bus neben mich. Auch hier möchte ich glauben, dass es kein Zufall war. Irgendwie rotten sich alle Außenseiter zusammen, genauso, wie sich alle tollen Leute zusammentun und wie sich die Streber finden – ein in den Erbanlagen vorprogrammierter Automatismus beim Menschen. Ausnahmen bestätigen dies.
„Hallo, gehst du auf das Dyson-Klein-Gymnasium?“, hatte sie mit ihrer hellen, für meinen Geschmack viel zu lauten, Stimme, gefragt. Ihre Tasche setzte sie in ihrem Schoß ab und umarmte sie - damals eine Art Mode, es sollte süß aussehen. An der Seite hing eine Figur aus einer erfolgreichen Trickfilm-Serie.
„Ja“, sagte ich.
Ich habe sie noch nie gesehen, sie war eine Fremde und dennoch war ich froh so schnell jemanden gefunden zu haben und nicht mehr allein zu sein. Wenn sie nur etwas ihre Stimme dämpfen würde.
„Du bist Fan von Meeresrauschen“, rief sie so laut, dass einige Fahrgäste ihre Köpfe in ihre Richtung wandten.
Meeresrauschen war eine bekannte Band in der Stadt aber ich zählte nicht zu ihren Fans. Die Bluse mit dem Namen der Band bekam ich mal von meiner Kusine geschenkt, die mich zum Gothic-Pop bekehren wollte. Musik interessierte mich nicht, aber ohne wäre das Leben noch etwas schlimmer.
„Die Bluse habe ich geschenkt bekommen, ich-“, begann ich mich zu erklären und wurde unterbrochen.
„Ich liebe Meeresrauschen“, quietschte sie.
Ich wünschte, ihre verdammten Stimmbänder mochten verkalken.
„Der Sänger ist ein Gott!“
Der Bus hielt. Mir war es peinlich aus zusteigen, ich schämte mich für dieses Mädchen, dass ich nicht kannte.
Am nächsten Tag nach dem Schulfest stand ich vor dem Spiegel und fluchte im Flüsterton. Meine Frisur blieb meine Frisur – keine Frisur. Und Sachen zum Schminken hatte ich nicht. Ohnehin hätte ich mich zwingen müssen.
„Ach, scheiße!“
Anita stand jeden Morgen vor meiner Türe und wartete auf mich. Wir gingen zusammen zur Bushaltestelle. An diesem Tag kam aber alles anders. Anita kam nicht. Vielleicht war sie krank, dachte ich, oder ihr Wecker hatte versagt. Das es einen anderen Grund geben könnte kam mir nicht in den Sinn.
Im Bus setzte ich mich so, dass ich das Mädchen beobachten konnte. In all der Zeit kannte ich ihren Namen immer noch nicht. Aber Namen interessierten mich genau so wenig wie Musik, sie erfüllten bloß ihren Zweck. Neben ihr saß ein Junge und hatte seinen Arm um ihre Schulter gelegt. Es machte ihr nichts aus. Ich konnte es nicht verstehen. Warum ließ sie das zu? Was fand sie an dem Typen?
Dann bemerkte ich Anita. Sie saß in der Sitzreihe hinter dem Mädchen und diesem Vollidioten der sie jetzt halb umarmte. Warum versteckte sie sich? Als hätte jemand Mineralwasser über mein Herz gegossen fühlte es sich an. Meine Freundin lies mich hängen und mein Idol sich von einem Jungen umarmen. Zwei Gefühle auf einmal! Ich glaube meine Schaltkreise im Kopf brannten durch – ich stand auf und stieg an der nächsten Haltestelle aus.
Sonntag, 18. Juli 2010
Alles was ich will (1)
So schlimm sehe ich wirklich nicht aus. Vielleicht mache ich mir einfach zu wenig daraus. Jemand hatte mal gesagt, dass ich keine richtige Frisur habe und ob ich schon mal etwas von Make-up gehört hätte. Nicht wegen der Pickel, ich habe gar keine, sondern aus dem einfachen Grund, weil es beinahe schon eine Regel ist, dass man Make-up aufträgt als Mädchen in meinem Alter.
„Ach scheiße!“
Ich fluche meistens nur im Flüsterton. Ich habe nie gelernt aus meiner Haut zu fahren und keine Macht der Welt wird mich dazu bringen. Dachte ich.
Das ich extrem verkehrt oder absonderlich bin habe ich kurz nach meinem 14. Geburtstag erfahren müssen. Heute denke ich, dass alle anderen verkehrt und anders sind, aber heute bin ich schon lange nicht mehr 14.
Das Schulfest fand nur zufällig im Frühjahr statt, aber ich möchte gerne bezweifeln, dass sich die Ereignisse nur zufällig in dieser Jahreszeit ereigneten. Die Vorführung der Theatergruppe sollte der Höhepunkt des Festes sein und es durfte niemand fehlen, damit die Aula ordentlich besetzt aussah.
Das Mädchen das die Hauptrolle in dem Stück hatte - ich weiß nicht mehr, worum es in dem Stück ging - war mir schon früher aufgefallen. Eigentlich schon am ersten Tag nachdem ich auf die weiterführende Schule kam. Sie hatte für mich von Anfang an etwas besonderes an sich. Ihre Art, das Verhalten, die Freude und das Selbstbewusstsein, die Sicherheit ihres Auftretens - das alles fehlte mir und ich wäre gerne so wie sie gewesen. Ich beneidete sie.
Verdammt, wie konnte man bloß so sein wie sie? Wie konnte man das?! Warum kann ich es nicht? Manchmal hätte ich sie ohne ersichtlichen Grund treten wollen, nachts träumte ich wach, sie zu zerstören. Aber ich blieb ruhig. Ich explodierte niemals, denn diese Schwäche kannte ich nicht und wollte ich nicht kennen.
Irgendwann klatschten sie. Ich klatschte auch, obgleich ich nichts von der Vorführung mitbekommen hatte. Meine Augen und meine Gedanken galten niemanden anderem als ihr. Ich verstand nicht, was sie sagte aber ihre Stimme ergriff mich und zog mich in einen Bann - wie eine verzauberte Melodie. Der Beifall weckte mich allmählich aber ich blieb sitzen. Sie stand noch hinter dem Bühnenvorhang der soeben zugefallen war und sie umarmten sich und beglückwünschten sich untereinander.
Bei solchen Gedanken spürte ich wie sich bei mir im Bauch die Gedärme zusammen zogen. Sie umarmte andere Menschen, als sei dies das einfachste der Welt. Für mich war es unverständlich. Wie konnte sie so etwas bloß tun?
Was dann in mir passierte ist schwer zu beschreiben, wie jedes Gefühl. Ich wollte nicht, dass sie von anderen umarmt wird. Gleichzeitig wollte ich, dass sie so bleibt wie sie ist, jedoch müsste sie dann von anderen umarmt werden, um so zu bleiben wie sie ist, was ich aber nicht wollte. Was ich wollte, war, dass sie mir gehörte, wenn ich nicht so sein konnte wie sie, dann sollte sie wenigstens mir gehören... Im Großen und Ganzem war es aber nicht das, was ich empfunden habe. Es schien eine schwere Last auf meinem Brustkorb zu liegen und Zorn sammelte sich zu einem Kloß in meinem Hals.
Ich möchte glauben, dass es sich nicht nur um einen Zufall handelte, dass es Frühjahr war und das sie mir auf dem Weg nach Hause hinter der Schule begegnete. Meine Gedanken hätten mich durch Wände rennen lassen und beinahe hätte ich sie über den Haufen getrampelt. Erschrocken starrte ich sie einen Moment lang an, die Aufregung breitete sich wie eine Flüssigkeit aus Nadeln in meinem Körper aus.
„'tschuldigung“, rief ich.
Das Adrenalin lies mich schnaufen, als hätte ich einen 2000-Meter-Lauf hinter mir. Es unter Kontrolle zu bekommen, bedeutete kaum Luft zu bekommen.
„Du warst in der Vorführung, ich habe dich gesehen von der Bühne aus“, sagte sie plötzlich. Das war etwas viel für mich.
„Oh, ich hab dich nicht bemerkt“, sagte ich.
Bevor mir klar wurde, was ich da von mir gegeben hatte, war sie mit einem knappen „Ah“ hinter mir verschwunden. Ich ließ die Schultern hängen. Wahrscheinlich meine einzige Chance ihre Freundin zu werden.
In der Nacht konnte ich nicht schlafen. Ich hasste sie auf einmal. Sie hatte mich einfach stehen lassen. Glaubte, sie sei etwas Besseres, dass man sie überall beachtete. Ich konnte froh sein, dass ich nicht so eingebildet war, dass ich meine Freunde nicht stehen ließ, dass ich von niemanden erwartete gesehen zu werden. Ich konnte froh sein, wenn ich irgendetwas sein konnte. Ich hab danach geweint bis ich zu müde dazu war.
Meine Mutter war mein Spiegelbild. Alles was ich nie tun würde, tat sie gerne. Sie benahm sich oft wie ein Kind und mir sagte man nach, ich sei zu erwachsen für mein Alter. Ich bevorzugte „zu ernst für mein Alter“. Sie hatte eigentlich keine Übermasse aber im Vergleich zu mir, war sie einfach fett. Meine Verwandten konnte ich glaube ich nie davon überzeugen, dass ich nicht mager-süchtig bin.
Bei McDonalds wollte sie unbedingt die Junior-Tüte haben, wegen dem Spielzeug. Sogar darum zu streiten war sie bereit. Der Verkäufer bekam schließlich Mitleid - entweder mit ihr oder mit mir, die ich so rot wurde wie der Ketchup auf meinen Pommes.