Mittwoch, 12. Mai 2010

Da war ich (2)


19:15 Uhr: Ich warte am Bahnhof in Euskirchen auf Iris, bekomme eine SMS dass sie mit dem Auto fährt. Ist mir auch lieber so. Sie klang nicht mehr sehr nüchtern. Ich mache mir Sorgen: Zu Daniel und Iris habe ich schon ca. ein Jahr keinen Kontakt mehr gehabt. Hoffentlich ist alles wie beim Alten...

19:30 Uhr: Der Zug kommt. Es geht los.

Nach 20:00 Uhr: Ich bin in Köln und muss mich erst einmal orientieren. Die Menschenmassen bedeuten Stress und ich fühle mich, als müsste ich ersticken.

Ca. 20:20 Uhr: Es geht mit dem Bus weiter. Einige Haltestellen später treffe ich auf Daniel. Er hat einen Dreitage-Bart und grinst, als er mich sieht. Bei ihm sind noch drei Andere die ich nicht kenne. Sie beachten mich nicht und Daniel stellt mich auch nicht vor. Ist mir auch recht. Er fragt wie es mir geht. Ich sage es geht mir gut und wir gehen. Eine komische Stimmung – wie ich erwartet habe.

20:30 Uhr: Wir stehen am Ausgang zur U-Bahn und warten auf noch jemanden. Daniel fragt ob alles klar wäre und ich sage ihm das alles klar ist. Er haut mir freundschaftlich auf die Schulter. Ich frage ihn wie es bei ihm aussieht. Er sagt, dass er sich nicht beklagen braucht. Ein Mädchen aus der Gruppe fragt plötzlich ob ich mit komme und Daniel stellt mich endlich vor.

„Ach so, der kommt mit?“

Ca. 21:00 Uhr: Wir stehen vor dem Nachtflug. Die Party fängt erst um 22 Uhr an. Einer von Daniels Freunden springt die Wand an und kratzt an ihr. „Ich will rein.“ - Nun ja, ich muss grinsen, obwohl das eher peinlich ist. Wir laufen zum Rhein und besetzen dort eine Bank und einen Mülleimer. Daniel zeigt einem seiner Freunde Tanzschritte - es sieht gut aus – und sein Freund zeigt Daniel seine Tanzschritte – so wechseln sie sich ab und albern herum.

Ca. 21:30 Uhr: Eins der Mädels verteilt kleine Fläschchen mit Alk. – Pflaumengeschmack – und wir stoßen alle zusammen an. Ich trink das Zeug aus und schmeiße das Fläschchen in den Müll. Die anderen werfen sie in den Rhein. Das scheint irgendwie ein Ritual bei ihnen zu sein. Ich habe nichts dagegen, aber mein Fläschchen ist eben im Müll gelandet – es hat hat ja auch müllig geschmeckt.

Kurz vor 22:00 Uhr: Wir machen uns auf dem Weg zum Nachtflug. Mir sind fast schon die Finger gefroren. Die Schlange vorm Eingang ist nicht so lang wie letzten Mittwoch vor der LiveMusicHall aber es sind doch nicht wenige. Iris kommt uns entgegen. „Wo bleibt ihr, Mensch?!“

22:00 Uhr: Wir kommen alle rein und suchen uns einen Ort wo wir uns hinsetzen können. Die Party läuft.

Iris redet mit mir aber ich kann sie kaum verstehen und sage deswegen nur „Ja“ oder „Nein“ oder lächle freundlich. Sie sagt nach einer Weile, dass sie tanzen geht und dass ich für sie auch was trinken soll. Sie weiß noch, dass ich nicht tanze aber Daniel scheint es vergessen zu haben. Er ist sowie so ganz jemand anderes geworden. Immer wieder kommt er zu mir und versucht mich zu überreden auf die Tanzfläche zu gehen.Schließlich sage ich ihm, dass ich gleich komme, verschwinde dann aber an die Bar (oder wie man das nennt). Das Bier ist sanft - ich habe die erste Flasche ziemlich schnell leer.

Ein Junge den ich zunächst für ein Mädchen gehalten habe fragt nach Feuer. Ich gebe ihm mein Feuerzeug und er bietet mir eine Zigarette an. Wir rauchen neben einander ohne auf uns zu achten bis er auch auf die Tanzfläche geht.

Iris kommt und fragt ob alles in Ordnung ist. Ich weiß es nicht genau, aber ich sage ihr, dass alles okay ist. Sie verschwindet wieder.

Ich frage mich, ob nicht vielleicht ich derjenige bin der komisch und anders geworden ist. Irgendwie erinnere ich mich aber nicht je in einer solchen Welt gelebt zu haben. Ich fühle mich sehr unpassend. Es ist 23 Uhr und ich überlege, ob ich nicht vielleicht gehen sollte, dann kommt Iris und zwei von Daniels Freunden. Ein Gespräch beginnt. Es geht um „Was machst du so?“, „Wohnst du eigentlich noch da und da?“ und „Bist du zufrieden?“. Das Bier macht es einfacher auf solche Fragen zu antworten und ich fühle mich bald etwas wohler zwischen diesen Menschen.

Iris erzählt von früher und fragt mich dauernd „Weißt du noch?“. Ich tue so, als würde ich auch an die guten alten Zeiten denken und nicke. Irgendwann haben alle genug geredet und Iris verzieht sich wieder. Die zwei anderen fragen natürlich warum ich nicht „abzappeln gehe“ und ich sage meinen Standard-Satz: „Nicht so mein Fall.“ Dieser Satz klingt so dämlich, dass darauf keine weiteren Fragen folgen – meistens nicht. Dann sitze ich wieder eine Weile alleine und nach zwei Flaschen Bier muss ich pissen wie ein Nilpferd.

Es dauert lange bis ich mir einen Ruck gebe und gehe: Die Toiletten sind leer aber die gelben Spuren auf dem Boden Zeugen von reger Benutzung. Ich überlege einen Augenblick lang extra einfach auf den Boden zu pissen, aber dann siegt das zivilisierte Wesen in mir. Und zum Glück, denn noch während ich mein Geschäft am erledigen bin kommen zwei Betrunkene hinein getorkelt. Sie geben sich einen Kuss und beide gehen in je eine Kabine zum scheißen und ich habe vielleicht etwas zu erzählen, wenn noch jemand von unserer Gruppe mit mir reden will.

00:00 Uhr:

Mein Platz an der Bar ist besetzt worden und ich hab mich einfach an die Wand gestellt. Daniel brachte mir eine frische Flasche mit. Langsam wurden sie alle des Herumzappelns müde und rotteten sich alle um mich. Ich erfuhr das Iris wieder nach Hause gefahren ist und noch jemand war weg, aber ich kannte die ganzen Leute eh nicht. Daniel versuchte etwas Breakdance oder wie man das nennt, aber es sah armselig aus, außerdem war er wohl nicht mehr ganz frisch. Ich verstand ihn kaum, wenn er etwas sagte. In meinem Kopf drehte sich die Welt und mir wurde sehr wohlig. Das ist meistens ein Zeichen dafür, dass ich zu trinken aufhören sollte.

Eine Gruppe von weiblichen Make-up-Stations gesellte sich zu uns und fing an mit Daniel und seinen Freunden herum zu albern. Ich fühlte mich etwas Abseits und wollte lieber endlich nach Hause gehen...

Doch dann:

Ca. 00:50 Uhr: Einer von Daniels Freunden flog plötzlich in mich hinein und ich schlug ihm aus Reflex auf die Schulter, wie beim Fangen. „Au!“ Ich torkelte zurück und er torkelte mir nach um mich auch zu schlagen. Ich lief zwischen den Gruppenmitgliedern hin und her und er konnte mich nicht erwischen. Die anderen lachten darüber und ich musste auch grinsen. Es machte Spaß. Da der Typ mich nicht kriegen konnte schlug er einfach Daniel auf die Schulter und Daniel lief ihm nach und so weiter...

Wir spielten Fangen ?_? -mehr oder weniger.

Irgendwann fiel mir wieder ein, dass überall Menschen waren und ich hörte auf – ich glaube, mir wurde bewusst dass ich lächelte und lachte und das meine Stimme zu hören war. Ich verzog mich auf die Toiletten und lächelte das Spiegelbild an.

Ca. 01:45 Uhr:

Die Make-up-Stations verzogen sich. Unsere Gruppe wurde kleiner bis nur noch Daniel, drei andere und ich übrig waren. Ich weiß noch, dass einer Jan hieß und eine so betrunken war dass sie ständig lachen musste. Der dritte ging immer neben Daniel und sie redeten über irgendetwas insidermässiges. Daniel beachtete mich kaum. Ich glaube, Freunde sind wir nicht mehr wirklich, aber es war nett, dass er mich mitkommen lassen hat. Das betrunkene Mädchen zeigte ständig auf meine Schuhe und lachte sich halb kaputt, weil meine Schnürsenkel heraus hingen. Wir verließen den Laden obwohl noch ziemlich viel los war aber ich glaube, wir waren alle etwas erschöpft.

Der Junge der Jan hieß fragte mich viel komisches Zeug und schrie immer wieder das betrunkene Mädchen an, weil sie nicht aufhören konnte mit dem lachen. "Jetzt Ruhe!", "Du bist krank, weißt du das?!", Halt die Klappe!" und so weiter.

Wir kamen am Hauptbahnhof an, nachdem wir etwas durch die Stadt herum geirrt sind und schließlich mit der U-Bahn fuhren. Im McDonalds (ich habe schöne Erinnerungen an diesen McDonalds-Laden :) tranken wir Cola, um uns wach zu halten. Mir wurde etwas schwindelig aber es war nichts Schlimmes. Die Betrunkene hatte sich beruhigt und war nun ganz still und sagte nichts mehr. Daniel und die zwei Jungs fingen an zu singen. Laut und lallend.

Ein Arbeitskollege von Daniel holt uns mit einem kleinen LKW ab und bringt mich nach Euskirchen. Es ist viertel nach drei.

04:03 Uhr: Ich lasse mich ins Bett fallen.


Das war nicht meine Welt, und ich bin sehr sehr froh darüber, aber vielleicht bleibt sie gerade deswegen unvergessen.


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