Mittwoch, 16. Dezember 2009

Objektophilie

Wenn das Boot gegen das Holz der kleinen Hafenmauer schlug, dachte er immer wieder daran wie weh es wohl tun würde, würde sein Fuß dazwischen sein. Er wollte es schon oft testen aber mit seinem Rollstuhl würde er den Abhang und dann die Treppen nicht bewältigen können. Das Meer war die meiste Zeit still in der Bucht und bewegte sich träge vor und zurück. Das Boot schlug geradezu sanft gegen das Holz. Als würde er seinem Freund freundschaftlich auf die Schulter schlagen. Manchmal kam ein Junge dort runter und setzte sich in das Boot rein. Seit einiger Zeit kam er auch mit einem Mädchen und sie küssten sich. Und in diesen Momenten hielt das Boot still und schlug nicht mehr an die Hafenmauer. Selbst das Meer schien dann noch viel ruhiger zu sein, als wollte es diesen Moment nicht stören.
Es klopfte an der Türe. Jeden Samstag kam seine Tochter zu Besuch und brachte viel lautes Gerede mit. Sie redete über ihre Arbeit, ihren Mann, ihren Sohn und über sich und sich und ihre Probleme und über noch vieles andere. Wenn sie ging war es still, als hätte jemand einen lauten Staubsauger ausgeschaltet. Dann saß er immer noch am Fenster und sah sein Boot. Der Bug hob und senkte sich. Er hatte nun lange genug zugesehen.
Den Abhang lies er sich hinunter rollen. Die Arme an die Brust gepresst rollte er bis zur Treppe. Er setzte sich auf - dass seine Glieder schmerzten nahm er mit Freude an. Stufe für Stufe bewegte er sich auf seinem Gesäß und nur mit der Hilfe seiner Hände und Arme hinunter. Von hier an zog er sich liegend vorwärts, wie ein Soldat der sich durchs Dickicht heranpirscht. So kam er gut voran - er hatte Beine in den Armen.
Vor dem Boot setzte er sich auf. Es schlug gegen das Holz. Mit beiden Armen hob er sein Bein und lies es von der kleinen Hafenmauer hängen. Das Boot drückte sein Bein gegen die Hafenmauer. Nicht zu feste aber auch nicht zu lasch, freundschaftlich eben. Er streichelte das Holz vom Boot, es war genauso alt wie er selbst.
"Na, meine Gute?"
Es schlug gegen sein lebloses Bein. Er versuchte das Tau zu entknoten, welches das Boot gefangen hielt.
"So ein hübsches Boot sollte frei sein, meine Kleine."
Es gelang ihm. Er hielt es fest.
"Dein Holz ist so schön."
Er lächelte mit Tränen in den Augen. Mit der freien Hand hob er sein Bein nun ins Boot, dann konnte er es los lassen um sein anderes Bein hinein zu werfen. Dann stieß er sich mit einer Hand von der Hafenmauer fort und landete ganz in seinem Boot. Er legte sich flach auf den Boden und streichelte und kraulte das Holz - seine Wange legte er behutsam auf ein Stück Styropor das dort lag und schloss seine Augen.

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