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Das
waren meine letzten Sommerferien. Danach kam nicht mehr viel und das
Nichts. Kiara machte Musik auf ihrer Flöte. Sie spielte gut. Ihre
Flöte hatte sie immer dabei. Einmal hatte sie mit ihr einem Jungen
auf den Kopf gehauen, weil er blöd war. Für gewöhnlich konnten wir
sie im Zaun halten, sonst hätte sie ihre Flöte wohl möglich gar
nicht mehr. Manchmal wollte sie auch uns schlagen, gewagt hatte sie
es sich aber noch nie. Wir waren wichtig.
Den
kaute ununterbrochen auf einem Kaugummi. Ich glaube schon, dass er
ihn hin und wieder gegen einen frischen Streifen tauschte, in der
Schule ging jedoch das Gerücht um, er kaute seit Jahren auf dem
gleichen Scheiß herum. Früher einmal war es cool, heute nicht. Ich
meine, Kaugummi-kauen.
Nastia
hatte diese Idee von der ich erzählen will. Sie wollte sich immer
zeigen und beweisen. Früher war sie Karate-Landesmeisterin. Danach
hatte sie einen Autounfall und flog durch die Windschutzscheibe.
Heute hat sie ein künstliches Bein. Kein Grund für sie nicht in ein
Loch im Felsen zu springen.
Mittags
war es schon extrem heiß. Ich spreche von 42 Grad im Schatten oder
so. Gestern hatten wir noch Schule. Die Ferien hatten begonnen. Wir
wollten uns direkt treffen. Die kleine Stadt lag verlassen wie eine
Kulisse da und wir in ihr. Ich schätze, das Bild wirkte sehr
montiert.
Kiara
fluchte laut. Ihr Echo war zu hören. Sie fluchte irgendwie immer.
Heute fluchte sie, weil es heiß war und ihr die Langeweile hoch kam.
Sie erbrach am Straßenrand. Nein, nicht wirklich.
„Wir
könnten doch in die Galeere“, sagte Den.
Die
Galeere war ein Glashaus mit mehreren Etagen. Man konnte da einkaufen
gehen oder einkaufen gehen oder einkaufen gehen. Es gab aber auch
Eiskreme.
„Was
sonst“, sagte Nastia.
Den
Eisladen nutzten wir als Treffpunkt. Hier hockten wir jedes Mal nach
der Schule und planten das nächste Wochenende oder machten schon mal
Hausaufgaben. Von daher passte er nicht ganz an diesem Tag. Das Eis
litt jedoch keineswegs darunter. Trotzdem standen wir eine halbe
Stunde später wieder unter der Sonne und guckten.
„Kacke-Fisch,
ich halts nicht mehr aus hier“, sagte Kiara. Sie mochte übrigens
keinen Fisch, weil er stank. Mit Fisch verband sie alles was ekelhaft
war.
„Bist
du am Schwitzen?“, sagte Den.
„Halts
Maul, Dumbo“, fauchte Kiara. „Ich will nicht wieder den ganzen
Sommer in dieser Fischkonserve schwitzen, echt, man!“
„Und?“,
fragte ich.
„Ja,
überlegt euch mal was!“
Nastia
sprang auf eine Mülltonne. Das hatte aber nichts zu bedeuten.
„Gehen
wir doch zum Elefantenkopf-Felsen“, schlug ich vor.
Das
war ein Felsen der wirklich die Form eines Elefantenkopfes mit Rüssel
hatte und allein von der Natur geformt worden war.
„Geh
Vollkornbrot kaufen“, sagte Kiara verächtlich.
„Was
dann?“, fragte ich. „Nach Disneyland?“
Nastia
hüpfte zur nächsten Mülltonne. Wir bewegten uns langsam vorwärts.
Wir gingen zum Elefantenkopf-Felsen. Wir wussten es nur noch nicht.
„Was
willst du denn im Wald, du Förster, Arschkind“, regte sich Kiara
noch auf. Sie brauchte es halt.
„Pilze
sammeln“, murmelte ich.
Nastia
klatschte auf den Asphalt.
„Ihr
seid solche Bauern“, sagte Kiara.
Wir
gingen weiter. Nastia kam bald nach.
Im
Wald gab es Schatten – wie immer. Kiara hatte aufgehört sich
aufzuregen. Sie kramte Zigaretten aus ihrer Tasche. Wir rauchten. Ich
glaube, wir waren die letzten Menschen die noch rauchten die noch
Schüler waren.
„Ist
es weit bis zu diesem Felsen?“, fragte Den. Eigentlich war er schon
einmal da gewesen. Also antwortete niemand.
Wir
begegneten einem Hund und danach einer Frau mit einer Hundeleine. Das
war der letzte Mensch, abgesehen von uns Vier, den wir an diesem Tag
sahen.
„Da!“
Der
Felsen war eigentlich ein gewaltiges Loch im Erdboden. Wenn man unten
im Loch stand, umschlossen einen 30 Meter hohe Felswände. Nur an
einer Stelle konnte man hinunter steigen. Dort schien die Felswand
einst eingestürzt zu sein und der Bruch bildete natürliche
Felstreppen. Und an einer Stelle dieser Felswand ragte der
Elefantenkopf hervor.
„Glaubt
ihr, das haben mal Steinzeit-Menschen gebaut?“, fragte Kiara.
„Ja“,
sagte ich, was ich ganz und gar nicht so meinte.
„Was
dann?“, fing Kiara wieder an, „meinst du der Fels hat sich
gedacht, ich will heut mal ein Elefant sein, oder was, du Pfosten!“
Ich
musste grinsen.
„Mistkind“,
zischte sie.
„Wind
und Wasser haben ihn so geformt“, sagte Nastia.
Kiara
lachte.
„Welches
Wasser?“
Wir
kletterten runter. Der Elefant schien uns zu beobachten, „Kommt
nur“, zu denken. Ich hatte Herzklopfen, ich weiß noch genau.
„Seht
ihr diese Felsen da unten“, fragte Den.
Sie
lagen überall. Kleine, große und gewaltige Brocken.
„Als
wäre dieses Loch entstanden, weil mal der Boden eingestürzt ist“,
sagte Nastia.
Den
nickte.
„Euch
ist das Hirn eingestürzt“, meinte Kiara. Sie kam als Erste unten
an.
Es
war großartig. Faszinierend. Ich, ein kleiner Mensch, stand nun vor
einer Gottheit oder so etwas und blickte zu ihr auf, bot ihr die
Stirn, bereit den aussichtslosen Kampf aufzunehmen, obgleich selbst
die göttlichen Krümel der letzten Mahlzeit dieser Gottheit mich zu
erschlagen vermochten. Verstohlen blickte ich mich zu den Seiten um,
ob nicht vielleicht einer der anderen meine Gedanken erriet. Auf
jeden Fall peinlich.
„Und
was jetzt“, fragte Kiara. Gelangweilt klang sie nicht.
Nastia
hüpfte auf einen Felsen der ihr gerade im Weg war.
„Es
ist so still hier“, sagte sie.
„Sollen
wir etwas Lärm machen, damit du unbemerkt furzen kannst?“, fragte
Kiara.
Den
ging zwischen den Felsen und kam auf ein Schuttfeld aus steinigem
Sand. Er stand beinahe direkt unter dem Elefantenkopf und schaute zu
ihm auf. Ein Bild wie aus meinem Kopf. Nastia ging zu ihm und beide
schauten auf. Und dann passierte es -
„Kack
ich drauf, was ihr sagt, Leute“, rief Kiara noch, „aber dieses
Ding hat auf jeden Fall jemand geba- … was war das?!“
Plötzlich
standen wir da, wie auf einer Schallplatte. Der Boden bebte.
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