Montag, 30. April 2012

Spaziergang und Flucht


Diese Straße führte über ein Stück des Sees welcher eine Talsperre war aber Egid wusste den Namen nicht. Am Freibad blieb er kurz stehen. Durch ein Loch in der Hecke konnte er die Wiese des Freibades sehen – keine Menschenseele – doch was ihn noch mehr verblüffte war, dass überall noch Badetücher, Sonnenschirme und Taschen herum lagen. Wieder merkte er die Stille um ihn herum aber dieses Mal machte sie ihm richtig Angst. Etwas Schlimmes musste passiert sein. Ein Atomkraftwerk ist in die Luft geflogen, kam ihm der Gedanke. Aber er wusste nicht, ob es irgendwo in der Nähe ein solches Kraftwerk überhaupt gab.
Er begann zu laufen. Der Weg nach Hause lag zum größten Teil noch vor ihm. Er wollte so schnell wie möglich wieder zurück. Wieso ging er heute auch so weit weg? Auch darauf konnte er sich keine Antwort geben. Wohl wanderte er gerne weite Wege, vor allem in den Ferien, aber er konnte nicht mit Sicherheit sagen, dass er am heutigen Tag überhaupt aufgebrochen war.
Jetzt rannte er unter Bäumen die Schatten spendeten. Am Ende des Weges konnte er die Hauptstraße erkennen. Dieser musste er dann bis zur Niels-Bohr-Straße folgen und diese wiederum führte ihn geradewegs in sein Dorf zurück.
Bald jedoch musste er außer Puste stehen bleiben und verschnaufen. Nur kurz und dann ging er weiter – mitten auf der Straße, es kam ja doch kein Auto.
Die Bäume hörten zu seiner Linken auf, die Sonne brannte wieder auf seinen Kopf. Er ging auf der rechten Straßenseite, um noch hin und wieder etwas Schatten ab zu kriegen. Links waren Felder und dort graste eine einzelne Kuh, die ihn kauend ansah, als er vorbei lief.
Schließlich erreichte er die Niels-Bohr-Straße und begann wieder zu rennen. Teilweise wieder unter Bäumen und teilweise an weiten Feldern vorbei, bis er das Dorf vor sich sehen konnte.
Und Rauch! Irgendwo im Dorf brannte es! Egid hatte Seitenstiche und humpelte mehr als er rannte. Dann sah er den Wagen seiner Mutter vor dem Haus stehen und ihm wurde etwas leichter im Bauch. Es war eines der ersten Häuser, wenn man im Dorf ankam, vielleicht hatte sich die Katastrophe nur im Ortskern ereignet.
Gekrümmt vor Schmerz ging er durch den Vorgarten, machte die Haustür auf und ging ins Haus. Im Flur setzte er sich auf den Boden und schnappte nach Luft.
Mama?“, rief er.
Keine Antwort. Aber er hörte Schritte.
Was ist hier eigentlich los?“, rief er.
Jemand kam die Treppen herunter und er erkannte an den schweren Schritten, dass es nicht seine Mutter war. Ein schwarzer Mann stand plötzlich vor ihm im Flur, ein Afrikaner vielleicht aber ein sehr schwarzer Afrikaner. Seine Hautfarbe beeindruckte Egid aber nicht so sehr wie die Rüstung die er trug. Wie eine zweite Haut aus Stahl umgab sie den Rumpf und die Beine des Mannes. Er sah aus wie eine Kreuzung zwischen Mensch und Roboter. An seinem kahlen Kopf hafteten mehrere flache und längliche Plättchen dessen Ränder unter die Haut gewachsen zu sein schienen.
Ich bringe dich an einen anderen Ort“, sagte er mit monotoner Stimme.
Egid wirbelte herum und stürmte wieder aus dem Haus.
Halt! Ich werde alles erklären.“
Egid sprang über den niedrigen Zaun in den Garten des Nachbarn. Dort hämmerte er mit beiden Fäusten gegen die Türen.
Frau Schichels!“
Niemand antwortete, es rührte sich nichts. Er rannte auf die Straße und ihr entlang und immer weiter davon. Bis zum Ende der Straße, die sich hier weit gabelte. Rechts waren nur Felder und kaum Möglichkeiten sich zu verstecken, so rannte er hechelnd nach links, weiter an Häusern vorbei und an Autos.
Hey!“
Etwas Buntes tauchte auf. Er sah es nur aus den Augenwinkeln aber es bewegte sich und es hatte eine Stimme. Egid blieb stehen und sah in die Richtung. Ein Mädchen stand dort in der Einfahrt zu einem großen Haus.
Komm her“, zischte sie.
Egid blickte zuerst die Straße runter mit der Angst der Robotermensch würde dort irgendwo auftauchen, dann lief er zu dem Mädchen herüber. Er keuchte noch als er versuchte ihr zu erklären, dass er verfolgt wurde.
Was?“, fragte sie.
Egid warf wieder einen Blick auf die Straße. Aber er hatte den Mann anscheinend abgehängt.
Ein Typ - er wollte mich mit nehmen. Er war in unserem Haus und – meine Mutter, er hat ihr vielleicht etwas getan -.“
Ich weiß“, unterbrach ihn das Mädchen, „hör zu! Das sind Soldaten, ich glaube, wir wurden angegriffen – vielleicht sind es auch Terroristen, ich weiß nicht. Aber sie haben Waffen mit denen sie die Menschen verschwinden lassen können – einfach so!“
Egid starrte sie nur an. Er begriff nichts.

Samstag, 28. April 2012

Spaziergang


 ("das ist der 260 Post" ^^)
Die Sonne stand hoch am Himmel, als Egid aufwachte. Er lag auf dem Boden, über ihm Baumkronen und strahlend blauer Himmel. Unter seinen Handflächen spürte er Sand. Irgendetwas merkwürdiges ging hier vor. Kann es sein, dass er eingeschlafen war? Er konnte sich jedenfalls nicht mehr daran erinnern, dass er beschlossen hatte irgendwo im Wald schlafen zu gehen. Vielleicht ist er ausgerutscht und hingefallen?
Vorsichtig hob er den Kopf, der See war noch da aber wo genau er sich gerade befand konnte er nicht sagen. Er setzte sich auf, er fühlte sich gut, sein Kopf schien ganz geblieben zu sein. Ungewöhnlich still war es jedoch um ihn herum. Hinter ihm der Wald, eine leichte Brise wehte zwischen den Büschen und Sträuchern.
Wie spät war es wohl? Er hatte keine Uhr dabei. Besser, er kehrte heim, nicht dass sich seine Mutter Gedanken machte. Langsam stand er auf, gefasst auf irgendeinen Schmerz aber er fühlte sich wie immer.
Wie ist er an das Ufer gekommen? Hatte ihn womöglich jemand dorthin gebracht? Bei dem Gedanken drehte sich ihm der Magen um. Doch er müsste sich doch an irgendetwas erinnern, oder?
Er entfernte sich nicht weit vom Ufer und kam bald auf eine Lichtung im Wald heraus. Eine halb trockene Wiese, wie ein lange nicht mehr genutztes Feld. Die Sonne brannte auf ihn herab aber er blieb nicht stehen um zu verschnaufen, er musste das Freibad wieder finden. Von dort aus kannte er den Weg. Bald schlug er sich wieder durch den Wald. Hier und da musste er unter dem Geäst drunter krabbeln oder gar umkehren, weil es kein Durchkommen gab. Dann stolperte er und fiel der Länge nach hin. Er setzte sich nach einer Weile auf und hielt sich das Knie fest, die Hose hatte dort ein großes Loch und eine Schramme füllte sich mit kleinen Bluttropfen bis sie rot schimmerte.
Egid fing kurz an zu weinen aber es hatte irgendwie keinen Sinn. Er stand auf und ging weiter. Bis er plötzlich wieder am Ufer stand. Auf der anderen Seite des Sees sah er das Freibad. Irgendwie musste er dort hin! So beschloss er am Ufer lang zu gehen, um sein Ziel nicht mehr aus den Augen zu verlieren. Leider wucherten die Bäume und das Buschwerk so nah am Ufer, dass er ins Wasser steigen musste, wenn er dran vorbei wollte. Bei der Hitze stellte es sich als gute Idee heraus und als Egid bis zum Bauch nass geworden war, warf er sich kurzerhand ganz ins Wasser. Eine Wohltat ohnegleichen, bis auf seine Schramme, die im Wasser deutlicher zwiebelte, als an der Luft. Schließlich erreichte er eine weitere Wiese - diese hatte man künstlich angelegt und sie schien regelmässig gepflegt zu werden - auf der eine Parkbank an einem Wanderweg stand. Seine Wasser getränkten Sachen zogen ihn zu Boden, er schleppte sich erschöpft vom Ufer weg und ließ sich auf die Bank nieder. Er legte sich flach auf den Rücken, ließ seine Arme von beiden Seiten herunter hängen und machte die Augen zu.
Irgendwo begann ein Vogel zu singen an. Ansonsten aber kam es ihm immer noch sehr still vor, viel zu still. Müsste er nicht freudige Schreie vom Freibad her hören, oder irgendwo einen Hund bellen? Wie ausgestorben, dachte er. Mag sein, dass irgendwo ein Fest und jedermann hin ist, überlegte er.
Kurze Zeit später, stand Egid auf einem kleinen Geröllfeld. Hier endete eine asphaltierte Straße der er folgen wollte. Seine Sachen hatte die Sonne fast schon wieder getrocknet, nur seine Schuhe machten wässerige Geräusche bei jedem seiner Schritte. Er ging an einem Gebäude aus Ziegelstein vorbei. Dort schien nichts los zu sein. Tatsächlich hatte es alle Menschen wie hinfort gefegt.
An einer größeren Straße blieb er stehen und seufzte erleichtert. Wenn er ihr folgte, würde er zuerst zum Freibad gelangen und von dort aus wusste er den Weg nach Hause genau.

Mittwoch, 18. April 2012

Hund


Weil der Nebel übers Meer auf das Land kam hörte man die Wellen so als würde man hinter einer Wand stehen. Die Bäume und Dünen sahen aus, wie auf verblichenen Fotografien. Das Gras glitzerte milchig.
Barfuß trat er in den Sand, der sich feucht an seine Haut klebte, wie Eisenspäne an einen Magneten. Bei jedem Schritt löste sich der Sand, der zu schwer für die Haftung wurde und fiel zurück in seine Fußabdrücke. Seine Spur führte zwischen die Dünen, zu einer Tanne.
Ein Hund lag bequem unter einem breit gefächerten Ast. Er hob den Kopf, als er ihn durch den Sand kommen hörte. Hier hatte er gewartet, wie verabredet.

Freitag, 6. April 2012

Corneria - Welt ohne Ende (2)


Chace unterbrach die Stille zwischen den Dreien.
Es geht wieder“, sagte er, „wir sollten nach einem Ausgang suchen.“
Nuk stand auf und half seinem Freund auf die Beine. Das in seiner Hand alle Knochen gebrochen zu sein schienen vergaß er tapfer. Auch Lucca stand auf und half Nuk Chace zu stützen. Wackelig kehrten sie zurück in die große Halle. Luccas Blick blieb wieder an den vielen Leichen in der unteren Etage hängen. Sie wollte noch nicht so recht daran glauben, was geschähen ist. Ihr Gehirn konnte diese schreckliche Tatsache einfach nicht verarbeiten. Immer noch glaubte sie daran, dass es bald weiter gehen würde, dass ihre Heimat durch die weiten des Alls rasen würde, wie schon immer.
Nuk, verdammt!“ Chace blieb stehen und zeigte auf die Wand neben der sie entlang gingen. „Das ist der Ausgang!“
Nuk starrte die Wand an. Er machte einen Schritt von ihr weg, zog dabei Chace mit sich und inspizierte die Wand mit seinem Blick von oben nach unten und von rechts nach links.
Tatsächlich“, flüsterte er. „Das ist ein Tor.“
Chace lachte heiser und musste husten.
Aber wo sind die Frachter?“, fragte Nuk und sah sich in der Halle um. Einen Frachter konnte er nicht entdecken, auch nicht auf der Etagenschicht unter ihnen.
Ich weiß nicht“, sagte Chace, als er wieder sprechen konnte, „aber wir stehen nur eine Wand vor der Freiheit entfernt.“
Lucca legte ihre Hand an die Wand.
Toll“, sagte sie. „Damit sind wir genauso gut dran, wie an jedem anderen Ort auf diesem Schiff.“
Vielleicht finden wir die Verkehrskontrolle – von dort aus kann man das Tor bestimmt öffnen“, schlug Nuk vor.
Chace Lächeln verfinsterte sich langsam wieder.
Ich kann kaum noch laufen, Leute“, sagte er.
Lucca und Nuk ließen ihn langsam wieder zu Boden gleiten.

Fanka stampfte mit ihrem Fuß auf die verbrannte Erde, als ihr etwas sehr merkwürdiges auffiel. Mitten im Raum war der Boden aufgebrochen und stand ab, wie eine verkohlte Orangenschale. Doch man konnte dort wo das Loch war nicht etwa die Etage darunter sehen und auch keine Kabel oder Rohre, keine Leitungen oder Computerkomponenten, dort war nur diese verbrannte Blumenerde und etwas, das Ähnlichkeit mit einer dicken Wurzel hatte. Genau so eine Wurzel, wie die des Baumes in der Schulhalle. Sie versuchte angestrengt zu erkennen um was es sich wirklich handelte aber es blieb eine Wurzel. Vorsichtig machte Fanka einen Schritt nach dem anderen über den merkwürdigen Boden. Sie versuchte die Asche nicht auf zu wirbeln, da sie vermutete das Zeug könnte giftig sein. Und dann stand sie direkt davor und es war tatsächlich eine Wurzel und sie wuchs aus der dunklen Blumenerde heraus. Genauer gesagt, wuchs sie einst, jetzt lebte sie wohl nicht mehr.
Fanka?“, rief Kora.
Fanka spürte wieder den Wind in ihrem Gesicht. Ihre schmutzigen Strähnen bewegten sich in ihm.
Ich hole dich jetzt“, rief sie zurück und kehrte zu ihrer Freundin zurück.

Eliott setzte sich auf den Boden, welcher an der Stelle ziemlich steil nach unten führte. Ein Ende des Korridors musste in die Tiefe gestürzt sein und bildete nun eine sehr lange Rutsche. Am Ende des Ganges sah der Junge jede Menge Dichtungsmaterial, das aus den Wänden ausgelaufen sein musste und sich überall verteilt hatte. Eliott stieß sich ab und rutschte hinab. Wobei er nicht bedacht hatte, dass er eine wahnsinns Geschwindigkeit annehmen würde. Mit Geschrei und mit Armen und Beinen fuchtelnd raste er in die Tiefe und in das Dichtungsmaterial hinein. Es bremste seinen Fall beinahe abrupt.
Benommen versuchte er sich aus der zähen Masse, die sich wie nasses Toilettenpapier anfühlte, ohne jedoch wirklich nass zu sein, zu befreien. Dies gestaltete sich nicht so einfach, wie Eliott es sich gedacht hatte, denn die Masse umschloss ihn wie Wasser und wenn er einen Teil von sich drückte, kehrte es augenblicklich wieder zurück. Nach mehreren Versuchen gab er es schließlich auf und verschnaufte eine Weile. Dann watete er einfach durch die Masse, in der Hoffnung irgendwo an ein Ufer zu kommen.
Ist hier jemand?“, rief er. Er verstand nicht wo all die anderen Menschen hin waren. Langsam kam ihm das ganze etwas gruselig vor. Wie konnten 60000 Menschen plötzlich nicht mehr da sein? 


Nuk lief am Abgrund entlang. Er blieb an einem kleinen Tor stehen. Mit geballter Hand schlug er gegen das Display an der Wand neben dem Tor aber das Display blieb schwarz.
Mach auf, man!“
Das Tor blieb zu.
Lucca kniete neben Chace. Der Junge hatte seine Augen geschlossen und atmete schwer.
Versuch sie aufzuschieben!“, rief Lucca zu Nuk.
Chace hustete.
Es geht nicht!“, jammerte Nuk. Er stemmte sich mit seinem ganzen Körper gegen das Tor, um es aufzuschieben. Es bewegte sich nicht.
Wir müssen Chace hier raus bringen“, sagte Lucca.
Nuk kam zurück gerannt.
Wohin?“
Lucca packte Chace am Arm und wollte ihn auf die Beine ziehen, Chace ließ sich jedoch einfach hängen.
Hilf mir“, sagte Lucca.
Mit Nuks Hilfe schafften sie es Chace wieder hin zu stellen doch der Junge schien kaum noch etwas mit zu bekommen.
Ich weiß wohin“, sagte Lucca.
Chace mit sich schleifend durchquerten sie die Halle. Lucca führte sie an der großen Maschine, die jetzt kein Geräusch mehr von sich gab, vorbei und durch den Engen Durchgang.
Hier waren wir schon vorhin“, warf Nuk ein.
Komm schon“, sagte Lucca nur. Sie wusste nicht, ob sie Chace noch lange tragen konnte, deswegen wollte sie keine Energie für lange Erklärungen verschwenden.
Wo willst du hin, man!“

Kora kniete sich in die Erde.
Pass auf, wer weiß, was das ist“, sagte Fanka erschrocken und versuchte ihre Freundin wieder hoch zu ziehen.
Hör auf“, sagte Kora. Sie riss sich aus Fankas Griff und legte ihre Hände auf das verbrannte Etwas.
Es ist doch nur Erde“, fuhr Kora fort, „normale Erde.“
Fanka kniete sich auch hin aber sie wollte die schwarze Blumenerde, die so schwarz war, wie Pech, doch nicht anfassen.
Wir sind möglicherweise auf dem Zielplaneten abgestürzt“, flüsterte Kora. Sie spürte jetzt auch einen leichten Windzug wie Fanka zuvor. Er kam aus einer dunklen Ecke hinten im eingestürzten Raum, doch diese Ecke war gar nicht so dunkel, wie es den Anschein hatte. Eine schmale Linie Lichts leuchtete unter den Trümmern der dort heruntergekommenen Decke.
Glaubst du echt?“, fragte Fanka aber Kora hörte sie nicht. Sie versuchte auf zu stehen. Das misslang ihr mit ihrem verletzten Knie und Fanka musste ihr helfen.
Wo willst du hin?“, fragte Fanka.
Hilf mir mal dorthin“, sagte Kora. Sie zeigte auf die eingestürzte Stelle.
Fanka half ihrer Freundin. Umso näher sie den Trümmern kamen, umso stärker wurde der Windzug.
Riechst du das?“, fragte Fanka. Es roch nach Blumen, fand sie aber eigentlich hatte sie so einen Duft noch nie gerochen.
Ja, wie Bonbons“, sagte Kora.
Fanka ließ ihre Freundin wieder auf den Boden sinken und sie selbst kniete sich ebenfalls hin.
Glaubst du, wir könnten hier nach Draußen?“, fragte Fanka.
Ich denke schon, wir müssten nur dieses Zeug aus dem Weg räumen“, meinte Kora. Sie nahm ein Stück Rohr in die Hand und warf es zur Seite. „Komm schon!“

Lucca trat in die Sonne, genau an der Stelle, an der sie aufgewacht war. Nuk stützte Chace der wie eine Puppe an ihm herunter hing.
Vielleicht versuchen wir dort hoch zu klettern“, sagte Lucca und zeigte hoch. Zwischen ihnen und dem Himmel lagen mindestens 16 Etagenschichten aber an vielen Stellen konnte man an Kabeln oder Balken hinauf.
Das schafft Chace niemals“, rief Nuk. Er ließ seinen Freund auf den Boden zurück.
Ich muss kurz ausruhen“, krächzte Chace plötzlich. „Und dann versuchen wir es.“
Lucca ließ sich die Sonne ins Gesicht scheinen. Sie wärmte immer noch so sehr, wie vor kurzem, als sie hier gelegen hatte. Es fühlte sich an, als würde das Licht ihr neue Energie spenden.
Okay“, sagte Nuk. Auch er genoss die Sonne in seinem Gesicht. Er setzte sich neben Chace, zog seine Beine an die Brust und umarmte sie, seinen Kopf legte er auf seine Knie.
Ich schaue mich mal etwas um“, sagte Lucca.
An einer Stelle, wo vorher ein Lift gewesen sein muss, führte eine Sproßenleiter nach oben. Das sah sich Lucca genauer an. Die Etagenschicht über ihr lag jedoch dermaßen im Chaos, dass sie nicht richtig erkennen konnte, wo die Leiter endete.
Führt sie nach oben?“, fragte Nuk.
Ich denke, ja.“ 
Chace lag auf dem Boden und hatte die Augen geschlossen. Er sah noch immer sehr schlecht aus aber er atmete ruhiger. Nuk versuchte die letzten Fetzen seines Hemdes, die an einigen Stellen an seiner Haut klebten, ab zu ziehen. Doch Chace zuckte jedes Mal vor Schmerz, wenn Nuk sie abmachte.
Mein Arm tut weh“, sagte Chace.
Tatsächlich war sein linker Oberarm feuerrot und von Ruß verschmutzt. Nuk zog seine Jacke aus, um sein Hemd aus zuziehen. Dieses wickelte er Chace um seinen Oberarm und zog dann seine Jacke wieder an.
Glaubst du, du kannst wieder auf stehen?“, fragte er.
Chace setzte sich langsam wieder auf, was ihn viel Kraft kostete. Er musste kurz verschnaufen.
Ich brauche noch ein paar Minuten aber es geht mir etwas besser“, sagte er dann und seine Stimme hörte sich schon viel kräftiger an.
Wir müssen die Leiter hoch“, sagte Nuk.
Chace nickte.

Lucca musste springen, um auf eine Plattform zu gelangen von der aus sie in einen Korridor klettern konnte. Die Decke war hier eingestürzt, weil die nächste Etagenschicht runter gekracht war aber man konnte einfach an den Trümmern hoch klettern. Somit hatte sie bereits die dritte Etagenschicht erreicht, es fehlten noch dreizehn.
Lucca?! Wo bist du?!“
Nuk half gerade Chace die Leiter zu erreichen. Chace begann zitternd nach oben zu steigen und Nuk folgte ihm.
Ich warte hier auf euch“, rief Lucca zurück.
Nuk hatte keine Probleme auf die Plattform zu springen aber Chace war am Ende seiner Kräfte. Er klammerte sich an den Sprossen und ließ sich hängen.
Halt aus, Chace“, sagte Nuk. Er packte einen breiten Balken und versuchte ihn hoch zu heben. Er bekam ihn auch hoch, wenn auch nur wenige Zentimeter doch er schaffte es kaum ihn zu ziehen.
Ich komme“, rief Lucca, die ihn von oben beobachtet hatte.
Zusammen schafften sie es den Balken Stück für Stück bis zu der Stelle zu ziehen, wo Chace an der Leiter hing.
Chace, wir schieben das Teil unter deine Füße“, erklärte Nuk, „du kannst dann darüber laufen.“
Chace nickte nur schwach, doch als die beiden den Balken unter ihm platziert hatten, setzte er seine Füße darauf und kniete nieder. Lucca und Chace standen am anderen Ende auf dem Balken, damit der Balken nicht kippte und mit Chace hinunter fiel.
Mach langsam“, sagte Nuk.
Chace bewegte sich auf allen Vieren rückwärts und erreichte die Plattform, wo er vom Balken stieg und sich flach auf dem Boden legte.
Geschafft“, schnaufte er.
Nuk setzte sich.
Gut, und jetzt?“, fragte er.
Lucca zeigte auf die herab gestürzte Etagenschicht.
Dort lang.“
Nuk half Chace also wieder auf die Beine und sie folgten dem Mädchen.
Die Sonne brennt aber ganz schön“, sagte Nuk, als sie den halben Weg geklettert waren.
Ich mag das“, schnaufte Chace.
Ihm schien es von Mal zu Mal besser zu gehen. Er brauchte kaum noch Hilfe beim Klettern und auch die Farbe kehrte langsam in sein Gesicht zurück.
Dir scheint sie echt gut zu tun“, murmelte Nuk und wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn.
Lucca hatte bereits die nächste Möglichkeit gefunden, um noch höher zu kommen. Der Riss in der Schiffshölle wurde immer größer, umso höher sie kamen und der Himmel ebenso.
Doch als sie die sechste Etage erreichten gab es keine Möglichkeit mehr, um weiter zu klettern.
Was nun?“, fragte Chace. Er stand auf eigenen Beinen, wenn auch noch sehr wackelig.
Sie standen in einer großen Halle, in einer halben Halle. Die andere Hälfte konnten sie auf der anderen Seite des Trümmer-Canyons gerade noch erkennen – sie lag unter mehreren Etagenschichten begraben.
Da hinten ist eine offene Schleuse“, sagte Lucca.
Was war das hier?“, fragte Nuk.
Chace zuckte mit den Achseln. Während sich die beiden Jungen noch umsahen, um eine andere Möglichkeit des Aufstiegs zu finden, lief Lucca schon durch die Halle und verschwand in dem Korridor hinter der Schleuse. Den beiden Jungs graute es davor wieder in die Untiefen des dunklen Schiffes zu gehen aber es blieb ihnen nichts anderes übrig und sie liefen ihr nach.
Ich mag sie nicht“, raunte Chace.

Fanka und Kora arbeiteten sich durch die Trümmer. Doch sie konnten bald nichts mehr von der Stelle bewegen da nur noch sehr große Gegenstände im Weg waren. Doch dahinter hörten sie ein Rauschen wie von vielen Zweigen die sich im Wind bewegten. Und Licht schien in den zerstörten Raum der Oberstufe.
Vielleicht können wir die Wand dort aufreißen“, überlegte Kora. „Die sieht nicht sehr stabil aus.“
Fanka klopfte gegen die Wand, die irgendwo aus der Dunkelheit über ihnen heruntergefallen sein musste. Das Bild der 8 Planeten des Sol-Systems hing an ihr aber es funktionierte nicht mehr. Die Planeten flimmerten schwach und bewegten sich nicht mehr.
Fanka trat gegen die Wand. Doch es passierte nichts.
Sie ist stabil“, sagte sie.
Kora seufzte. 

 
Eliott erreichte einen Korridor an dessen Ende ein sehr helles, rötliches Licht Leuchtete. Eliott hatte noch niemals zuvor eine solche Helligkeit gesehen, abgesehen von manchen Sternen, an denen sie auf ihrer Reise vorbei gekommen waren.
Er war müde und schleppte sich nun schon seit Stunden durch die Korridore und Räume des Wracks. Schon längst suchte er nicht mehr nach den Lebenszeichen anderer, denn es schien so, als hätten alle das Schiff verlassen, bevor es abgestürzt ist. Und er wurde als einziger vergessen.
Er kam dem Licht vorsichtig näher. Es blendete ihn so, dass er nur durch enge Augenschlitze gucken konnte. Nur langsam gewöhnten sie sich an das grelle Licht.
Was ist das?“, murmelte er zu sich selbst. Dann stand er am Ende des Korridors und konnte hinaus schauen und es nahm ihm fast den Atem.

Lucca erreichte die nächste Etage über einen Liftschacht, der so schief auf der Seite lag, dass man zu Fuß hinauf laufen konnte. Überall lagen Nahrungseinheiten herum die aus großen Kisten gefallen waren und unter einem Haufen Kabel und Schutt entdeckte Lucca eine Maschine mit der Fleisch gezüchtet wurde.
He, du da!“
Lucca wirbelte herum. Eine Männerstimme hatte gerufen. In einem Raum, hinter einer großen Scheibe stand jemand. Eine Türe in der Nähe ging auf und ein Mann in der Uniform eines Sicherheitsmannes trat aus dem Raum dahinter.
Wo kommst du denn her?“, rief er sehr überrascht.
Aus der Schule“, antwortete Lucca.
Der Mann lachte laut auf.
Roni! Hier sind Kinder!“, rief er in den Raum, aus welchem er soeben gekommen war, hinein.
Was sagst du?“ Ein zweiter Mann kam heraus. Er hatte nur einen Schlafanzug an.
Das gibt’s nicht“, sagte er erstaunt.
Nuk und Chace kamen gerade aus dem Schacht heraus. Nuk lies einen lauten Seufzer von sich.
Gerettet“, sagte er erleichtert.
Chace fiel auf die Knie und schnaufte.
Die beiden Männer kamen zu ihm und einer von ihnen hob ihn auf und trug in auf den Armen in den Raum rein.
Kommt rein“, sagte der andere.
Es handelte sich um einen Kontrollraum für die Maschinen. Die beiden Männer hatten den meisten Schutt in eine Ecke geworfen damit sie in der Mitte Platz für einen Tisch hatten der aus einer Kiste bestand.
Chace wurde auf diese Kiste abgesetzt während der andere Mann einen Behälter von der Wand nahm in dem Dinge für die Erste Hilfe drin waren. Er stellte den Behälter neben Chace ab und öffnete ihn. Darin lag eine Tube mit einer Salbe gegen Verbrennungen. Diese trug der Mann mit der Uniform auf Chaces Wunden auf.
Das wird jetzt sehr kalt werden“, sagte er.
Chace nickte nur. Er wollte nur noch schlafen.
Wo wolltet ihr hin?“, fragte der Mann im Schlafanzug.
Ganz nach oben“, sagte Lucca.
Der Mann nickte.
Das wollten wir auch versuchen. Wir dachten schon, wir seien die einzigen Überlebenden. Ich bin übrigens Roni und das da ist Narron.“
Lucca“, stellte sich Lucca vor.
Ich bin Nuk und das ist Chace“, sagte Nuk.
Der Mann in der Uniform verband Chaces Arm der am schlimmsten aussah und legte eine Decke um ihn, die er von einem der Terminals holte.
Der Junge sollte etwas schlafen, wir sollten ihm ein Bett machen“, sagte Narron.

Fanka nahm Anlauf und rannte mit aller Kraft gegen die Wand. Es knirschte und die Fassade brach auf.
Ja!“, schrie Kora auf.
Fanka trat mit dem Bein gegen die Wand und immer mehr von der Fassade zerbrach und fiel zu Boden. Dahinter verliefen dicke Kabelverbände und andere Leitungen.
Mach die Kabel ab“, rief Kora aufgeregt. Sie kroch über den Boden, ihr verletztes Bein hinter sich her schleifend, zu Fanka herüber.
Fanka zog an den Kabeln aber statt zu reißen, zog sie sie aus der Wand heraus. Sie ließ das Stück, dass sie in der Hand hatte auf den Boden fallen und zog an einer anderen Stelle. Dieses Kabel riss so plötzlich, dass Fanka rücklings auf den Rücken fiel.
Es geht“, hechelte sie.
Kora half ihr dabei noch mehr Kabel aus der Wand zu ziehen bis sie die gegenüberliegende Fassade erreicht hatten. Fanka trat wieder mit dem Fuß dagegen und kam auf der anderen Seite heraus. Als sie ihr Bein wieder zurück zog fiel helles Licht in den Raum. 

Lucca fand eine Jacke die ihr passte in einem Gang hinter dem Kontrollraum. Sie folgte dem Gang bis zu einem Lift der nicht funktionierte. Chace schlief auf dem Boden und Nuk saß bei den beiden Männern und erzählte ihnen, wie Lucca, Chace und er durch das abgestürzte Schiff geirrt waren. Lucca setzte sich auf den Boden und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Lifttüren. Sie fühlte Angst und verloren-sein.
Ihre Welt verschwand ganz plötzlich und ohne Warnung in einem apokalyptischen Inferno und sie wanderte über das was von ihr übrig geblieben war. Sie hatte eigentlich nur diese eine Welt gehabt, denn die Erde kannte sie nur aus Erzählungen oder aus alten Büchern. Noch nicht einmal Menschen hatte sie gehabt die ihr nahe standen. Die Welt im All war alles gewesen. Ihre Eltern kamen um, als sie noch ein Baby gewesen ist. Soviel sie wusste gingen sie bei Wartungsarbeiten an der Außenhülle des Kolonienschiffes im Raum verloren.
Kleine?“
Narron kam durch den Gang zu ihr.
Ist alles in Ordnung?“, fragte der Mann.
Lucca stand auf.
Alles okay“, sagte sie nur beim Vorbeigehen. Sie kehrte zurück in den Kontrollraum und verließ diesen durch die Eingangstür. Sie lief bis zu der Wand gegenüber der Tür an der auch eine Maschine zur Fleischherstellung stand und kletterte an ihr hinauf. Die Decke der Fabrik musste zusammen mit der oberen Etage abgerissen worden sein, so, dass sie sehen konnte, dass der Himmel seine Farbe zu einem kräftigen purpurrot geändert hatte. Und als sie auf der Maschine oben auf stand bot sich ihr ein gewaltiger Anblick über das Land.

Fanka trat noch einmal zu, um das Loch größer zu machen.
Es duftet“, sagte Kora.
Fanka steckte den Kopf durch das Loch.

Eliott starrte in den Raum vor ihm.

Sie alle sahen das gleiche. Ein Ozean aus grünen Büschen mit dicken und fleischigen Blättern unter einem rot glühendem Himmel. Und inmitten dieses Meeres brannte das Wrack des Kolonienschiffes wie ein morsches und glühendes Stück Holzscheit. Die Trümmer verteilten sich auf einer enormen Fläche und der Rauch stieg hoch in den Himmel empor.

Hyper Dungeon Dysonsphere

Sonntag, 1. April 2012

Corneria - Welt ohne Ende (1)


Alarm!

Dem wurde schon seit einer sehr langen Zeit kaum Aufmerksamkeit geschenkt. Doch an jenem Tag, als die reisende Kolonie mit großer Spannung die neue Welt erwartete, schien der Alarm, der ansonsten nur bedeutete, dass die Schüler sich in die Schulhalle begeben mussten, um nach kurzer Zeit wieder in den Unterricht zurückkehren zu müssen, dem Lehrer Sorgen zu bereiten.

Dort, irgendwo weit außerhalb der Bildungs-Sektion, hinter dicken Wänden aus dem Schiffsmaterial und Dichtungsmitteln, Kabeln und Rohren, zischte es, wie aus einem kaputten Ventil.

Völlig unvorbereitet erhob er sich von seinem Sitz – auf seiner Stirn bildeten sich Falten, sein Blick huschte über das Hologramm an der Wand hinter ihm, welches einen nackten Mann zeigte - und er hob beide Arme, um den Schülern zu deuten sitzen zu bleiben. Etwas stimmte nicht ganz, er musste einen Moment nachdenken, hatte er irgendetwas nicht mitbekommen? Noch bevor er eine Entscheidung fällen konnte, merkten die Schüler in der Klasse, dass tatsächlich etwas nicht ganz nach Plan lief.

Zuerst begannen die Lexika, die jeder Schüler an seinem rechten Arm trug, wie wild Notsignale in den Raum zu strahlen und kurz darauf begann der Boden unter ihren Füßen zu vibrieren an. Hinzu kam noch dieses Zischen – es hörte sich an, als käme es näher.

Endlich setzte sich der Lehrer in Bewegung. Er schritt durch den Klassenraum und in den Flur hinaus. Man hörte von draußen bereits die Stimmen der anderen Kinder und ihr Getrampel. Sie hörten sich aufgeregt an, als erwarteten sie etwas zu erfahren, dass man ihnen bisher vorenthalten hatte. Ein Geheimnis, ein Flüstern ging durch den Flur und steckte die Kinder in der Klasse an.
Was ist da los?“ flüsterte jemand in der hintersten Reihe. „Sei mal still!“

Dann fing das Geschrei an – von jetzt auf jetzt - als plötzlich ein Beben die Welt erschütterte.

Ein tiefes Stöhnen und lautes Knacken schallte durch jedermann Ohren, gefolgt von dumpfen Explosionen in weiter Ferne irgendwo in der Megastruktur des Kolonienschiffes. Es standen auf einmal alle auf den Beinen und drängten aus dem Klassenraum hinaus in den Flur, um in die Schulhalle zu laufen.
Bewahrt Ruhe“, rief der Lehrer, denn viele gerieten schon in Panik. Die unzähligen Probealarme in den Jahren zuvor hatten sie nie auf das vorbereitet, was folgen sollte. Das Erdbeben wurde mit einem Mal so heftig, dass sich kaum jemand auf den Beinen halten konnte. Die Rohre mit den Leitungen, die knapp unter der Decke hingen und sich durch das gesamte Schiff zogen, rissen aus den Verankerungen und knallten zu Boden, begruben Menschen unter sich und verspritzten Funken – gleich darauf war auch schon der erste Qualm zu sehen. Die Geräuschkulisse nahm jedem Konzert den Rekord ab, dabei ging das Geschrei im Klang der Explosionen unter. Und schließlich brach irgendwo auch noch die Schiffshülle. Es hörte sich an, als hätte jemand einen gewaltigen Staubsauger an gemacht, mit welchem nun Felsbrocken gesaugt wurden. Ein Sturm zog auf und fegte durch die Korridore. Er nahm alles mit, was nicht irgendwo befestigt war.

Als die ersten Schüler endlich die Schulhalle erreichten, bildete sich mitten in der Halle eine Spalte. Der Boden bekam einen Riss und fiel dann Stück für Stück in die Tiefe, in ein helles Licht hinein, wie das Licht einer Sonne.
Zurück!“, schrie jemand. Ein Lehrer tauchte im Durchgang zur Schulhalle auf. „Die Triebwerke sind durchgebrochen!“
Die Massen versuchten nun wieder zurück zu kommen, weg von der Halle. Es gab noch einen Notausgang in den Sporthallen. Doch für eine Rückkehr gab es keinen Platz. Hunderte Unwissende drängten von hinten noch immer zur Halle hin und trampelten sich gegenseitig tot.

Lucca kauerte zwischen zwei Menü-Automaten in der Cafeteria. Sie musste sich gegen die Wand drücken, um nicht durch den Raum zu fliegen. Die Tische bewegten sich, die Stühle fielen um, Glas zerbrach, alles um sie herum wackelte. Und eine ungewöhnliche Kraft zerrte an ihr, sie zog sie an und wollte sie durch den Raum ziehen. Ein Junge, den sie nicht kannte, klebte auf der anderen Seite des Raumes an der Wand und hatte Mühe sich auf zu setzen.
Komm hier her“, rief er ihr zu. „Wir stürzen ab!“
Lucca schüttelte den Kopf. Wenn sie ihre Stellung aufgab, wusste sie, würde die Kraft sie auf die gegenüberliegende Wand klatschen lassen. Immer stärker zerrte sie nun an ihr ihre Schuhe rutschten langsam über den Boden. Sie drückte sich noch fester gegen die Wand hinter ihr.
Komm schon“, rief der Junge.
Die Tische und Stühle rutschten, wie von Geisterhand bewegt, zur gegenüberliegenden Wand. Durch das Beben sprangen sie immer wieder auf, fielen um, brachen sich die Beine und krachten ineinander. Und immer wieder stöhnten die Wände laut auf und ein knirschendes Geräusch ging einem durch Mark und Bein.
Ist da jemand?“ Die Stimme kam aus dem Korridor, der den Zugang zur Cafeteria und der Schulhalle bildete.
Wir sind hier drin“, schrie der Junge zurück. „Nuk? Bist du das?“
Im selben Moment bekam die Decke über ihnen einen Riss. Die Platten, aus denen sie bestand, fielen zu Boden und gaben den Blick auf dicke Rohre frei, auf Kabel und Schläuche.
Chace?“ Die Stimme aus dem Korridor klang verweint und panisch. Lucca sah, wie jemand, gegen die Schwerkraft ankämpfend, die sich plötzlich so ungewöhnlich verhielt, in die Cafeteria gestolpert kam. Es war ein Junge ohne Schuhe und er rutschte über den Boden auf die andere Seite des Raumes und krachte ziemlich schlimm in einen Haufen Stühle.
Nuk?“, rief der Junge auf der anderen Seite des Raumes. „Bist du in Ordnung?“
Nuk stöhnte.
Lucca öffnete ihren Mund um zu schreien. Die Wand hinter ihr explodierte plötzlich. Zerfiel in ihre Einzelteile, schoss durch den Raum und nahm Lucca mit sich. Um sie herum brannte es auf einmal, davon merkte sie aber nicht mehr viel. Sie verlor ihr Bewusstsein, spürte nur noch, dass sie durch die Luft schwebte.
Nuk!“
Die nächste Explosion verschlang alles. Grelles Licht blitzte auf und erlosch gleich wieder. Das Mädchen spürte sich in völlige Dunkelheit eingehüllt.
Nuk!“
Nuk versuchte das Feuer mit den Händen abzuwehren. Etwas traf ihn am Kopf aber ihm blieb nicht einmal Zeit, um wegen dem Schmerz auf zu schreien. Staub und etwas, das sich anfühlte wie Sand prasselte auf seine Haut.
Nuk!“
Chace? Wo bist du?“
Hart landete Chace auf etwas Unförmigem. Ihm blieb die Luft weg. Er spürte Blut in seinem Mund, dann spürte er gar nichts mehr.
Wo bist du?“
Noch eine Explosion verschlang den dunklen Raum. Obwohl man nichts mehr sehen konnte, spürte man, wie sich die Massen um einen herum verbogen, brachen, im Feuer schmolzen oder durch die Gegend geschleudert wurden.

Niemand bekam den Augenblick mit, als die Stille wieder einkehrte.

Eine Stille, die nur von einer Brise Wind, der durch das Trümmerfeld ging und dem ruhigen Flackern von vielen Feuern, etwas gestört wurde. Aber noch viel ruhiger wirkte sich das Licht aus, das in das ausgebrannte Wrack schien und Luccas blasses Gesicht wärmte. Es machte, dass sie ruhen konnte, dass ihr Körper zu neuer Energie kam und dass sie schließlich ihre Augen auf machte und ihren Kopf zur Seite drehte, weil die Sonne, die sie durch die tiefe Narbe im Schiff, die sich über mehrere Etagen zog, sehen konnte, sie blendete.
Vorsichtig setzte sie sich auf. Ihr Schulhemd klebte an ihrer Schulter, es war ganz blutig an dieser Stelle aber es tat nicht weh. Mit zusammengekniffenen Augen schaute sie noch einmal auf. Über ihr ragte ein Trümmerfeld auf bis weit in den Himmel und dort wo es endete schaute tatsächlich eine Sonne auf sie herab. Von den einzelnen Etagen stürzten noch immer vereinzelt Fetzen herunter und überall flogen Blätter aus Büchern umher oder Seiten aus der UNCS-News, der Zeitung der Kolonie. Einige Meter von ihr entfernt konnte sie sogar noch einige Stühle aus der Cafeteria ausmachen, die nun auf einem Haufen in der Nähe gigantischer Boiler lagen. Ein zerteilter Reinigungsroboter klemmte erschlagen zwischen zwei Etagenschichten. Und dort wo einmal eine Schleuse gewesen sein muss, klebte eine große Lache Blut. Lucca wandte sich ab und schaute noch einmal auf. Sie schloss die Augen und blieb einfach sitzen.

Nuk hielt seine rechte Hand in seiner linken und weinte. Er stand im Eingang zu einem Korridor den er noch nie gesehen hatte und starrte schluchzend in die Dunkelheit. Er konnte seine Finger nicht mehr bewegen, sie taten auch höllisch weh und in seinem Gesicht spürte er Blut kleben. Er traute sich nicht irgendetwas zu machen, am liebsten hätte er sogar mit dem Atmen aufgehört.
Nuk?“
Die Stimme kannte er. Jemand hustete und dieses Husten kannte er auch. Er drehte sich um.
Chace?“
Chace hatte nur noch einige Fetzen an und seine Schuhe. Seine Haare klebten merkwürdig an seinem Kopf und er hatte nicht mehr allzu viele davon. In seinem Gesicht und auf seinen nackten Schultern hatte sich klebriger Ruß fest gesetzt.
Scheiße, Chace?“
Yo“, murmelte Chace und fiel auf die Knie. „Mir ist was übel.“
Er fiel der Länge nach hin und blieb liegen, atmete zum Glück aber noch, jedoch rasselte es in ihm jedes Mal wenn er Luft holte. Nuk humpelte zu ihm und setzte sich.
Chace?“

Der Flur zur Schulhalle glühte noch. Die Säulen, die die Etagenschichten stützten konnte man sehen, da die Wände überall eingestürzt oder geschmolzen waren. Dort wo einst die Schulhalle, mit dem großen Kastanienbaum, gewesen ist, lag nun eine schwarze aber noch Glühende Kugel von der Größe eines Hauses auf der Erde.

Fanka zog ihr Schulhemd aus. Sie riss mit einem Ruck beide Ärmel ab und schleifte sich über den Boden zu ihrer Freundin. Kora saß an die Wand gelehnt und presste beide Arme auf ihr Knie.
Lass mich mal“, flüsterte Fanka. Die Hitze machte ihr zu schaffen. Sie wischte sich den Schweiß von der Stirn.
Was ist mit den anderen?“, fragte Kora. Fanke zuckte nur mit den Schultern und presste einen der Ärmel, den sie zusammengeknüllt hatte, auf Koras Wunde. Mit dem anderen Ärmel band sie den geknüllten Stoff fest an Koras Bein.
Was ist passiert?“

166 Sektionen wurden voneinander getrennt – Neuoptimierung der KI läuft. Wartungsarbeiten sind voraussichtlich in 3 Stunden beendet, bitte loggen sie sich in der Zeit nicht an das System an, danke!“

Eliott fühlte sich gleich etwas sicherer, als er die Stimme des Computers hörte. Er warf die Bettdecke ab und kletterte vom Bett. Er wollte sofort mit seinen Eltern sprechen und hoffte, das Kommunikationssystem möge noch funktionieren. Im Wohnraum lagen alle Möbel zerschlagen an der Wand zur Rechten. Die Schleuse stand offen aber draußen im Flur war niemand zu sehen. Immerhin brannte das Licht noch. Eliott durchquerte den Raum und schaute in den Flur hinaus. An beiden Enden des Flures funktionierte das Licht jedoch nicht mehr und dort war es sehr dunkel und still.
Computer?“, rief er.

Im Moment laufen Wartungsarbeiten, bitte haben sie noch etwas Geduld. Die Wartungsarbeiten sind voraussichtlich in 16 Stunden beendet. Bitte loggen sie sich in der Zeit nicht an das System an, danke!“

Eliott schaute auf das dunkle Display seines Armcomputers. Es zeigte eine Reihe von Defekten an, die alle etwas mit dem Netzwerk zu tun hatten – folglich konnte er das Gerät auch nicht benutzen.
Hallo?“, rief der Junge in den leeren Flur hinein.
Er trat in den Flur hinaus. Unter seinen Füßen begann der Boden zu ächzen. An der Wand entlang schlich er den Flur entlang auf die Dunkelheit zu. 


Chace drehte sich auf den Rücken. Nuk half ihm dabei.
Was ist passiert?“, fragte Nuk.
Chace stöhnte.
Das Schiff ist irgendwo abgestürzt“, sagte Nuk, „nicht wahr?“
Chace zuckte leicht mit den Schultern. Seine Haut im Gesicht fühlte sich sehr angespannt an und seine Schultern brannten. Er strich sich durch sein verkohltes Haar. Es war kaum noch etwas übrig von seinem blonden Schopf.
Nuk, wir müssen hier raus“, murmelte er und setzte sich mit schmerzverzerrtem Gesicht hin. „Das Schiff könnte explodieren.“
Was?“
Nuk starrte Chace entsetzt an.
Ich glaube, du musst mir etwas helfen“, sagte Chace, „ich kann nicht so gut gehen.“
Nuk nickte und half Chace beim Aufstehen. Beide wackelten zitternd durch das Trümmerfeld und verschwanden in einem dunklen Korridor der sie zum Raumhafen führen würde. 

Lucca hörte Stimmen. Sie kamen ganz aus der Nähe. Jemand unterhielt sich – zwei Personen. Einer von ihnen schien Schmerzen zu haben. Sie folgte den Stimmen aber das war nicht ganz so einfach. Überall lagen Stützpfeiler und Unmengen von Kabeln die so dick waren wie Autoreifen. Sie musste an einer Stelle klettern und sich dann zwischen Schutt und Rohre quetschen, um auf die andere Seite zu kommen. Dort rutschte sie auf einmal aus. Der ganze Boden schien nass zu sein, sie konnte aber nicht erkennen was es war. Einige Schritte weiter stolperte sie dann über etwas Gummiartiges. Mit ihren Händen tastete sie herum und hielt als nächstes eine menschliche Hand in ihren. Erschrocken ließ sie sie wieder los.
Hallo?“, fragte sie.
Keine Antwort. Plötzlich wurde ihr bewusst, wie still es war und das sie kaum etwas sehen konnte. Gerade als sie daran dachte wieder um zu kehren und sich wieder in die Sonne zu legen, hörte sie wieder die Stimmen.
Hallo!“, rief sie laut und hastete durch die Dunkelheit. Noch einmal stolperte sie über etwas oder jemanden aber dieses Mal wollte sie nicht wissen was oder wer dort lag. Sie musste die Stimmen erreichen, bevor sie nicht mehr da waren.


Fanka zog mit aller Macht an der Schleuse, die nur einen Spalt weit offen stand. Sie steckte ihre Finger in den Spalt, stemmte sich mit einem Fuß von der Wand weg und zog. Aber die schwere Schleuse rührte sich nicht. Dahinter lagen die Sporthallen und von dort aus war es nicht mehr weit bis zu den Liften die hinauf in die Stadt fuhren. Einen anderen Weg hinaus kannte sie nicht. Kora saß wieder auf dem Boden und ließ ihren Kopf hängen. Ihr Gesicht war ganz blass und sie atmete schwer.
Fanka schrie auf vor Zorn und weil sie nichts tun konnte. Wütend trat sie gegen die Wand und boxte mit bloßer Hand gegen die Schleuse. Dann kniete sie sich hin, ihre Hand in ihr Schulhemd einwickelnd und fing an zu weinen. Der Schmerz ließ nur sehr langsam nach.
Es gibt- „, begann Kora und brach ab. Fanka sah auf.
Was?“
Es gibt bestimmt einen anderen Weg.“
Fanka schüttelte den Kopf. Sie kauerte sich in die Ecke und schaute durch den Spalt auf die andere Seite. Die Hallen konnte sie nicht sehen, vielleicht waren sie auch explodiert.

Nuk blieb stehen. Chace hing immer mehr an ihm und lief kaum noch selbst. Vorsichtig kniete er sich mit seinem Freund hin und legte ihn auf dem Boden ab. Eine Brise frischen Windes blies ihm ins Gesicht. Und er vernahm einen süßlichen Duft den er noch niemals zuvor in der Nase gehabt hatte.
Jemand backt Süßes, Chace – riechst du das auch?“
Chace antwortete nicht. Nuk schüttelte ihn.
Hör auf“, stöhnte Chace. Nuk atmete erleichtert aus.
Hör mal, ich schaue mich hier etwas um, du wartest- ich meine, ich lasse dich hier aber ich komme gleich wieder.“
Chace nickte schwach.

Lucca kam in einen breiteren Korridor in dem sogar noch Licht brannte. Es war niemand mehr da, sie kam zu spät. Sie ließ kurz die Schultern hängen und lief dann einfach dem neuen Gang entlang. Am Ende tauchte eine große Maschine auf, mit Rohrleitungen und Kabeln. Wasser drang dort aus dem Boden und floss wieder in die Kanalisation, trotzdem hatten sich überall Zentimeter tiefe Wasserlachen gebildet. In der Maschine surrte es noch.
Lucca watete durch das Wasser und blieb vor dem Ding stehen. Es reichte bis unter die Decke, diese jedoch war von einer Seite herab gestürzt und versperrte den Gang nach rechts. Links führte eine Art Gosse um die Maschine herum. 

 
Lucca folgte der Gosse und kam auf der anderen Seite der Maschine in einer gigantischen Halle heraus. Hier schlossen dicke Rohrleitungen an die Maschine und führten von ihr weg bis auf die andere Seite der Halle. Dort verschwanden sie wieder im Boden oder führten herauf zur Decke und schlossen an sie an. Der Boden in der Mitte der Halle lag einige Meter tiefer – Lucca konnte in die Etage darunter sehen und sah hunderte Menschen auf dem Boden liegen. Niemand rührte sich. Viele von ihnen sahen schlimm zugerichtet aus, andere bestanden nur noch aus Hackfleisch und Knochen. Die wenigen, die noch ganz geblieben waren, sahen aus wie Zombies – kalkweiß im Gesicht und alt.
Lucca beeilte sich die Halle an einer Wand entlang zu durchqueren, doch ihr Blick landete immer wieder auf den Leichen dort unten und dann wurde ihr klar, was um sie herum eigentlich passierte. Das Kolonienschiff ist auf einem Planeten abgestürzt. Ihre ganze Welt, in der sie ihr Leben lang gewohnt hatte, lag in Trümmern und keiner würde sie wieder reparieren können.
Sie kam ziemlich verstört auf der anderen Seite an. Hier standen Kanister an der Wand die mindestens eine Tonne wogen und so groß waren wie eine Fähre. Lucca legte ihre Hand auf die gummiartige Wand eines der Kanister und versuchte ihre Gedanken zu ordnen. Wo wollte sie eigentlich hin?
Hey! Du da!“
Erschrocken wirbelte sie herum. Ein Junge stand in einigen Metern Entfernung vor ihr und lächelte. Es war Nuk.
Was?“, sagte Lucca.
Nuk kam zu ihr.
Ich dachte schon, wir seien die einzigen“, freute er sich.
Lucca nahm ihn in ihre Arme, als er bei ihr ankam. Er blieb überrascht stehen und umarmte das Mädchen dann auch. Aus irgendeinem Grund, den er in dem Moment nicht ausmachen konnte, kamen ihm die Tränen in die Augen geschossen – vielleicht weil seine Hand auf einmal wieder höllisch zu schmerzen anfing.
Chace liegt im Flur dort hinten“, erzählte er. „Ihn hat es ziemlich arg erwischt, aber ich denke er kommt durch.“
Lucca nickte.

Fanka kletterte über einige Trümmer, die den Gang, in welchem sich die zwei Mädchen gerade befanden, versperrte. Kora schleifte ihr verletztes Bein hinter sich her und kam nur mit Hilfe ihrer Hände vorwärts. Fanka half ihr auf der anderen Seite von den Trümmern herunter und stützte sie, als sie ihren Weg fortsetzten. Sie hatten keine Ahnung wohin.
Wolltest du nicht ein Abenteuer erleben?“, fragte Kora und lachte, doch der Schmerz in ihrem Bein ließ sie schnell wieder verstummen.
Habe ich mir anders vorgestellt“, murmelte Fanka.
Eine Weile quälten sie sich durch den Gang ohne ein Wort zu sagen, dann blieb Fanka stehen.
Glaubst du, sie suchen nach uns?“
Kora lächelte.
Was glaubst du wohl? Natürlich suchen sie nach uns.“
Sie setzten ihren Weg fort. Schritt für Schritt kamen sie dem Treppenhaus näher, der sie nach oben die Naturwissenschafts-Räume führen konnte oder nach unten in den Keller indem die Oberstufe ihre Pausenräume hatte.
Wohin?“, wollte Kora wissen, als sie ankamen. 
Fanka zuckte mit den Schultern. Seit sie die Trümmer im Gang hinter sich gelassen hatten, musste sie ständig an ihre Eltern denken.
Lass uns mal schauen, wie die Oberstufe ihre Pausen verbringt“, schlug Kora vor.
Fanka lächelte schwach. Sie lehnte sich gegen die Wand und schaute Kora an, die trotz ihrer Wunde und den Schmerzen, die sie ertragen musste, anscheinend bester Hoffnung war und sich keine Sorgen zu machen schien. Aber vielleicht versuchte sie einfach nur stark zu bleiben, weil zwei hoffnungslose Fälle ganz einfach hoffnungslos verloren wären in diesem Horror. Fanka atmete aus. Es wird wieder alles gut werden.
Na gut, schauen wir mal“, sagte sie.
Kora stützte sich am Geländer fest und stellte sich auf die Treppen. Normalerweise rollte man einfach herunter oder herauf aber ohne Energie funktionierten die Rolltreppen nun mal nicht. Also stützte Fanka Kora von der anderen Seite und beide stiegen Stufe für Stufe in den Keller herunter.

Lucca und Nuk kamen bei Chace an. Ihm schien es wieder ein wenig besser zu gehen. Er hatte sich hin gesetzt und wischte sich den klebrigen Ruß mit dem Schulhemd von seiner Haut.
He!“, rief er. „Du bist doch das Mädchen aus der Cafeteria, oder?“
Lucca nickte.
Nuk setzte sich neben Chace. Die beiden Jungen sahen Lucca an und warteten darauf, dass sie etwas sagte. Lucca konnte ihre Gedanken noch immer nicht ganz in Ordnung bringen – alles verwirrte sie und sie hatte Angst. Trotzdem setzte sie sich auf eine Kiste aus Kunstholz und schaute zurück.
Wer seid ihr?“, fragte sie schließlich.
Sie stellten sich vor.
Chace ist ins Feuer geraten, er sieht ansonsten nicht so scheiße aus“, erklärte Nuk noch und Chace boxte ihn freundschaftlich gegen die Schulter.
Wo sind die Erwachsenen abgeblieben?“, fragte Lucca, um endlich etwas los zu werden, was sie so sehr beschäftigte. „Wo ist der Rest?“
Nuk zuckte mit den Schultern. Er senkte seinen Blick zu Boden und begann damit seine Schuhe fest zu ziehen. Lucca schloss ihre Augen. Stille kehrte wieder ein aber dieses Mal war sie nicht mehr so schön, wie vorhin, als sie in der Sonne lag.
Was sollen wir tun?“, fragte sie.
Chace räusperte sich sagte aber nichts. Er dachte nach. Nuk zuckte wieder mit den Schultern.
Wir sind ganz in der Nähe der Docks, nicht wahr?“, fragte Lucca.
Nuk nickte dieses Mal.
Ja“, antwortete Chace.
Ich habe keinen Eingang gefunden“, sagte Nuk.
Lucca bemerkte Blut an ihren Händen. Es war nicht ihr eigenes. Es sah aus, wie getrocknete Farbe die zum größten Teil abgeblättert war. Sie wischte ihre Hände an der Jeans ab, es half natürlich nichts, das Zeug blieb kleben. Auch ihre Schuhe waren nicht mehr weiß sondern rot. Sie musste aussehen wie ein Zombie.
Da muss irgendetwas sein“, murmelte Chace.
Da stehen doch immer die Frachter im Startbereich, ich hätte sie bestimmt bemerkt – es war nichts da“, sagte Nuk.
Lucca zog ihre Schuhe aus und warf sie gegen die Wand. Sie lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand, zog ihr linkes Bein zu sich und blieb so sitzen. Stille kehrte ein.

Kora musste eine kurze Pause einlegen. Sie kramte zwei Riegel aus Schokolade, verpackt in schwarzes Papier, aus ihrer Hosentasche und reichte Fanka einen davon.
Schön aufessen, das sind ganz noble Schoko-Riegel“, erklärte sie mit ernster Miene.
Fanka musste lachen.
Du bist behindert!“
Kora lächelte und steckte sich den Riegel in den Mund. Die zwei Mädchen setzten sich auf den Boden. Der Pausenraum der Oberstufe lag direkt voraus und dort brannte noch Licht. Fanka stand wieder auf, sie ging durch den Gang und blickte in den Raum hinein. Auch hier lag die ganze Einrichtung zertrümmert an einer Wand aber zur Linken fehlte eine Wand und Fanka blickte auf etwas sehr merkwürdiges. Es sah aus, wie verbrannte Blumenerde. Eine Unmenge von verbrannter Blumenerde. Und eine Brise Wind huschte ihr durchs Haar.