Axii
warf die leere Schachtel Zigaretten von den Klippen hinunter in die
Brandung. Seine Beine baumelten herunter und ein starker Wind blies
ihm ins Gesicht. Alicen kam aus dem nahen Wald zurück und setzte
sich neben ihn.
„Ich treffe sie morgen Abend. Ich hoffe, es geht alles klar und ich
mache keinen Fehler oder so etwas. Ich muss gelassen bleiben, ich...
naja, mal sehen.“
„Wird schon. Wenn sie das Video gesehen haben, dann wissen sie, was
du dich traust und du hast selbst gesagt, sie hörten sich
beeindruckt an.“
Alicen
grinste.
„Verdammt, verdammt, du hast recht. Die konnten sich ja kaum ein
kriegen während der Videokonferenz. Der eine, ich glaube der
Anführer, er hat immer wieder gesagt, dass es der Wahnsinn war.“
„Wie sind sie denn ansonsten so?“, fragte Axii.
„Also, der Anführer – naja, jedenfalls glaube ich, dass es der
Anführer war – er scheint ziemlich gelassen zu sein für
gewöhnlich. Er hatte eine alte Fallschirmjäger-Uniform getragen und
der Typ neben ihm erschien mir ziemlich verrückt – rotes Haar,
gefärbt, meine ich, und auch sein TsShirt knallrot, wie seine Haare
und beide verstanden sich ohne miteinander sprechen zu müssen,
verstehst du was ich meine? Nur ein Blick und der andere wusste
sofort was Sache war – also, ne, echt gelassen und abgefahren
zugleich.“
Axii
kiecherte.
„Was ist?“, fragte Alicen verdutzt.
„Du bist ja ein richtiger Fan“, sagte Axii grinsend.
Alicen
schüttelte den Kopf und winkte ab.
„Du
hättest sie sehen sollen“, sagte er nur.
Die
Sonne versank im Ozean. Die ersten Sterne erschienen am dunkler
werdenden Himmel. Um die Bucht herum leuchtete die Stadt wie ein
Weihnachtsbaum.
Axii
hatte seltsames geträumt in der letzten Nacht aber er hatte es
wieder vergessen. Es war kein guter Traum gewesen und er versuchte
sich zu erinnern doch es gelang ihm nicht und die Bilder versanken
innerhalb von Sekunden im Nebel.
„Danke“, sagte er, als die Mutter ihm seine Schulbrote auf den
Küchentisch legte.
„Schneid dir die Haare, du siehst aus, wie ein Mädchen.“
Axii
antwortete nicht darauf. Er wusste, dass eine Antwort, egal, wie sie
ausfiel, zu einem breit angelegten Gerede ausarten konnte und er sich
danach wieder ziemlich dumm vorkommen würde, weil die Eltern viel
schlauer waren, als er selbst.
„Er
müsste zum Frisör“, sagte seine Mutter an den Vater gewandt.
Dieser seufzte nur hinter seiner Zeitung.
„Ich bin heute Abend nicht im Haus, bestellt euch etwas, wenn ihr
warm essen wollt heute Abend“, sagte die Mutter. Jetzt legte der
Vater die Zeitung auf den Stuhl nebenan.
„Bist du die ganze Nacht weg?“, fragte er wie nebenbei.
„Ja.“
Der
Vater nickte zweimal.
Axii
und Alicen standen vor dem Schrottplatz im Industriegebiet von
Lalande. Alicen zündete sich eine Zigarette an. Er ließ sich nichts
anmerken aber Axii konnte sich vorstellen, wie aufgeregt er war. Er
rauchte sie Zigarette unterhalb von 5 Minuten.
„Wo
sind sie?“, fragte Axii aber Alicen schüttelte nur den Kopf.
Dann
balancierte jemand über die Mauer, die den Schrottplatz umgab. Er
sprang aus 3 Metern Höhe herunter auf den Boden und dämpfte seinen
Aufprall auf dem Boden indem er sich über seinen Rücken abrollte.
Er kam auf Axii und Alicen zu.
„Tut mir Leid, Alicen aber deine Freundin können wir nicht mit
rein nehmen“, sagte er und nickte zu Axii herüber. Axii erinnerte
sich an die Worte der Mutter und spürte wie er rot wurde.
Der
Jugendliche, der fast schon ein Mann war, achtete aber nicht mehr auf
ihn. Er wandte sich an Alicen und legte ihm seine Hand auf die rechte
Schulter.
„Schön. Du bist nicht allzu groß, das ist gut“, sagte er. Er
selbst schien fast 2 Meter hoch zu sein. Alicen musste zu ihm
aufblicken. „Wir haben unseren Treffpunkt auf dem Schrottplatz in
der Lagerhalle, kommst du?“
Alicen
nickte, drehte sich zu Axii um und zuckte mit den Schultern. Die
beiden gingen davon. Axii sah ihnen zu, wie sie auf die Mauer
kletterten und hinter ihr verschwanden, wobei Alicen sich geschickter
anstellte, wie Axii fand.
Die
beiden hatten eigentlich keine Ahnung, wie das Video von Alicens
Strukturlauf ins Netz gelangte. Das Video wurde beschlagnahmt, als
sie von den Capymännern zur Polizeistation gebracht wurden. Nur die
KI wusste von diesem Video und diese hatten sie auch in Verdacht –
zumindest hatte Alicen sie in Verdacht, Axii war sich nicht sicher,
er konnte sich keinen Grund vorstellen wegen dem die KI so etwas
hätte tun sollen.
„... und die haben dort in fast jedem Raum einen Plasma-TV und
überall Überwachungskameras auf dem Gelände. Verdammt, verdammt,
du hättest dabei sein sollen, Axii, echt!“
Für
Alicen gab es in den Pausen nur das eine Thema und Axii konnte es
bald kaum noch hören aber er freute sich für Alicen. Ja, er war
sogar ziemlich stolz auf seinen Freund, der es geschafft hatte bei
den Wandläufern aufgenommen zu werden und das nach nur einem Video.
Für gewöhnlich nahmen die Wandläufer niemanden auf, so hieß es.
Sie blieben unter sich und tauchten zu verschiedenen Turnieren wie
aus dem Nichts auf, um alle anderen Strukturläufern die Show zu
stehlen.
Nur
dauerte es nicht lange. Einer der Wandläufer ging an die selbe
Schule wie Axii und Alicen und Alicen verbrachte in den Pausen
plötzlich mehr Zeit mit ihm als mit Axii. Eigentlich verbrachte er
nur noch Zeit mit diesem anderen Typen – ja, von einem Tag auf den
anderen.
„Der hat bald keine Lust mehr – er merkt bald, dass du nicht mehr
da bist und dann kommt er wieder“, sagte Fanka.
„Reudiger Hund“, sagte Axii leise.
Fanka
grinste.
„Ja, das ist er.“
Manchmal
kam es vor, dass man die Sonne nicht untergehen sehen konnte, weil
von irgendwo her Wolken den Himmel bedeckten. Und dann gab es Abende,
wie diesen, an dem diese Wolken mit allen Farben des Feuers zu
brennen schienen. Axii nannte sie Herbstwolken aber das hatte er
bisher niemanden erzählt.
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