Donnerstag, 26. Dezember 2013

Stück für Stück

Auf der Party hatten sie sich angefangen die Fingernägel zu schneiden. Was ist schon dabei? Nur zum Spaß, es ist nur heute, weil wegen der Party – Yeah! Und deshalb machte ich mit. Es war toll und die Party war toll. Ich lernte Freunde und traf mich mit ihnen. Wir hatten Pläne, wir studierten und hatten alles in unseren Köpfen, wir wollten Groß sein. Wir trafen uns oft und manchmal schnitten wir uns die Fingernägel – hin und wieder nur – zum entspannen. Es war eine sehr tolle Zeit. Wir machten Geld mit Geschäften auf ebay und mit Menschen auf der Straße und dann kamen die Ferien und meine Freunde machten andere Sachen. Mir war langweilig. Ich brauchte meine Freunde, unsere Pläne, unsere Treffen – sie würden ja bald wieder da sein aber -
ich schnitt mir die Fingernägel und ein Stück von meinen kleinen Finger ab. Wahnsinn! Es war viel besser als nur die Fingernägel zu schneiden. Meine Freunde kamen wieder. Als ich ihnen davon erzählte wandten sich die meisten ab. Nur meine zwei besten Freunde blieben bei mir, um sich ihren kleinen Finger abzuschneiden. Jetzt waren wir nur noch Drei und unzertrennlich, wir hatten alle etwas gemein – wir hatten keinen kleinen Finger mehr. Unsere Pläne wurden größer, wir brauchten mehr Geld. Wir wurden größer, größer als unsere Schule und unser Studium. Wir hatten eine Firma gegründet und unsere Treffen häuften sich nun. Jetzt starteten wir durch und wir schnitten uns die anderen Finger ab – in diesem Moment wuchsen wir zu Riesen, fühlten uns beinahe allmächtig aber noch nicht ganz. Ohne unsere Finger konnten wir nicht mehr bei ebay verkaufen, wir mussten unsere Geschäfte ganz auf die Straße bringen auch wenn es hier schwieriger war Geld zu machen. Doch wir hackten uns die Hände ab, um es allen zu zeigen und es klappte, wir verdienten jede Menge Geld. Es war Sommer und wir lebten ohne Morgen. Manchmal gab es Probleme beim Essen oder beim Zähne putzen – ohne Hände ging das nicht mehr so gut. Wir hackten uns die Zehen ab, wenn es nichts zu tun gab – ließen uns Zahnprothesen machen, die uns beinahe in die Pleite trieben aber das Geld hatten wir schnell wieder rein geholt. Wir mussten nur etwas mehr von uns abschneiden. Einer meiner Freunde saß bald im Rollstuhl... jetzt konnten wir nicht mal unser Geld festhalten. Mein anderer Freund wurde ausgeraubt, weil er sich nicht wehren konnte – er hatte keine Extremitäten mehr. Irgendetwas stimmte nicht mehr. Wir verkauften unsere Organe, um an Geld zu kommen, damit wir uns wieder scharfe Messer kaufen konnten, um noch mehr von uns ab zu schneiden. Wir wurden immer weniger. Und zuletzt konnten wir uns gar nichts mehr selbst abschneiden – wir lagen auf der Intensivstation und wurden am leben erhalten. Ich lag da und versuchte es mir zu erklären – es lief doch alles so gut? Und jetzt bin ich fast nicht mehr da.

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