Donnerstag, 26. Dezember 2013

Dusonstadt Humbuk


Als ich in die Dusonstadt kam war ich 14 Jahre alt.

Es war die Stadt der Welt, die größte, hier lebten fast alle Menschen die auf diesem Planeten lebten, es waren 160 Millionen auf einer Fläche so groß wie die Niederlande.

Als ich in die Dusonstadt kam hingen schwere Wolken über den Kilometer-hohen Wolkenkratzern und zwischen den Ebenen, den Autobahnen, Magnetbahnen, den Fußgänger-Linien, zwischen den Gerüsten aus intelligenten Metallen und den Lichtern, angetrieben von einer Wüste aus Sonnenkraftwerken.

Ich kam in einem Lieferwagen auf dem Beifahrersitz. Bavor, die andere Stadt oder das Dorf, eine der Farmen die die Megastadt versorgten, da kam ich her. Wir kamen durch den Wald, der die Dusonstadt beinahe gänzlich umgab, wir fuhren auf einer Landstraße.
Man kam an, von einer Sekunde auf die andere, denn der Wald hörte plötzlich auf und Vorstadt-Viertel begannen, wie ausgeschnitten und zusammen geklebt, wie ein Klotz aus Beton den man auf eine Fläche Moos wirft. Und man konnte nicht wieder zurück obwohl es möglich war. Es hieß die Stadt unterzog einen einer Gehirnwäsche, machte einen gefügig, loyal, treu und ehrfürchtig und all so etwas.
Wir hatten sofort ein Haus. Daneben stand noch eins und danach kamen noch mehr Häuser. Die Straße nahm nur ein Ende, wenn man ein Auto besaß und fahren durfte. Wenn man sich Zeit nahm erreichte man irgendwann die Reihenhäuser und dann die Wohnblöcke und irgendwann auch eine Station mit der Bahn.

Bevor ich in die Dusonstadt kam schwor ich mir ihr nicht zu verfallen, mich zur Wehr zu setzen und nicht so zu werden, wie die Dusoner. Sie hatte mich zu sich gerufen, ich musste kommen aber das hätte sie nicht tun sollen. Ich hatte Freunde in Bavor, die mich zurück erwarteten.

Der Sommer war heiß. Es bedurfte dennoch keiner Vorkehrungen, um in die Sonne gehen zu können, für den nötigen Schutz vor der Strahlung sorgte die Stadt. Das war sehr neu für mich, ich traute ihr ja nicht. Schließlich musste ich das Haus irgendwann doch verlassen und das war vielleicht mein Glück, je nachdem.

Im Haus auf der anderen Straßenseite wohnte Jufa. Sie sagte „Hey“ und kam zu mir, als würden wir uns schon etwas länger kennen.
„Wie heißt du?“, und so weiter. Wir lernten uns kennen. Wenn ich schon mal hier war, konnte es nicht schaden sich einige Kontakte zu machen – wer weiß wozu sie gut waren.

Ihre Eltern arbeiteten an einem Landeplatz der Feuerwehr. Sie hatte eine Schwester die psychisch krank war – sie bestand aus mehreren Personen. Ich fand sie lustig und sie war der erste Mensch der sich nichts aus der Dusonstadt machte – ich glaube, eigentlich merkte sie gar nicht, dass sie in der Dusonstadt lebte. Sie und er und er führten einen Krieg gegen Nachbars Katze.

Jufa erzählte mir oft von ihrer Schwester und manchmal auch von ihrer Angst vor ihrer Zukunft. Sie war nicht besonders gut in der Schule, was soviel bedeutete wie, sie gehörte nicht zur Elite, konnte aber Computersysteme programmieren, wenn sie sich rein kniete.
Ich war wirklich nicht gut in der Schule, meine Noten waren tatsächlich miserabel, dafür war ich aber gut außerhalb der Schule – vielleicht reichte es, um im Wald zu leben, dachte ich immer. Da lebte ich bereits einige Zeit in der Dusonstadt.

In der Schule brachten sie mir alles bei, was ich bisher nicht konnte, selbst wenn ich keine Lust dazu hatte. Hin und wieder, wenn mir dies mal wieder auffiel, wurmte es mich ziemlich – es war, als würde die Gehirnwäsche auch auf mich wirken. Ich hatte Glück, das Jufa mich immer daran erinnerte, dass ich der Dusonstadt nicht verfallen wollte. Ich hatte ihr erzählt, dass ich es hier hasste und lieber zu meinen Freunden zurück wollte – wie waren noch ihre Namen?

Ich musste kämpfen, weil die Gehirnwäsche langsam wirkte. Nach den Ferien im Januar kam ich zu spät in die Klasse. Der Lehrer drehte sich zu mir um, er stand am Holograph, sein Stuhl war unbesetzt, wie passend. Ich nahm seinen Stuhl und warf ihn durch das Fenster. Er prallte aber ab und knallte laut zu Boden.
„Was ist los, Horu?“, fragte der Lehrer. Erst da merkte ich, dass ich ihn gar nicht kannte.
„Hallo“, sagte ich, „wer sind sie denn?“
Er kam zu mir.
„Gascleaner“, stellte er sich vor.
Er legte einen Arm um meine Schulter und führte mich aus der Klasse. Im Flur fing ich an mich im Kreis zu drehen und ein wenig wie eine Baletttänzerin auszusehen. Ich entfernte mich von ihm.
„Bleib doch hier“, rief er mir nach.
Ehe ich auf dem Schulhof war, hatte ich bereits den Schulpsychologen, eine der Schulärztinnen und mit Sicherheit und zur Sicherheit auch die Polizei irgendwo im Hintergrund.
„Horu kannst du uns mal aufklären“, fragte der Schulpsychologe.
Sie blieben alle sehr ruhig. Keiner kam mir zu nahe, nicht das sie es nicht versucht hätten aber als ich weg sprang wie ein erschrockenes Tier blieben sie stehen und versuchten mich aus der Distanz zu fangen – allein nur mit ihren Worten.

Egal was sie tun oder sagen würden, ich würde weiter verrückt spielen.

Aber eine Stunde später hatte ich einen Tee vor mir stehen und saß im Sekretariat und wartete, dass meine Oma mich abholte. Sie sagten, ich wäre nicht der erste, der nicht so sein wollte, wie es die Dusonstadt will. Sie sagten, dass auch dieses Verhalten die Stadt wiedergibt. Ich sollte bedenken, dass in dieser Stadt beinahe alle Menschen der Welt lebten und sie waren alle unterschiedlich und sie alle machten die Stadt aus und ich sei Teil der Stadt egal wie bekloppt ich mich verhielt – durch mich war die Stadt zum Teil auch bekloppt. Es gibt keine Gehirnwäsche. Es gibt nur eine Grenze und wenn man diese überschreitet ist man die Dusonstadt. Das man nie mehr zurück kehren kann ist bloß Humbuk – ich kann jederzeit zurück nach Bavor.

Aber wie hießen meine Freunde noch?

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