Sonntag, 1. Dezember 2013

cara hat lust kitkat zu töten


Cara und Vierundzwanzig-Null-Eins saßen auf dem Stuhl vor dem Fenster. Es stand weit geöffnet.

Der Vollmond sah heute Nacht aus wie mit Kakao übergossen. Hinter dem Landeplatz bewegte sich der Wald auf sie zu aber er kam niemals an. Während er einen Schritt auf sie zumachte, machte er einen Schritt von ihnen weg und immer wieder wiederholte es sich und so wippte er hin und her, hin und her. Und vierundzwanzig-Null-Eins wurde nervös, es langweilte ihn, er fühlte sich eingesperrt und das nicht nur in einem Zimmer. Cara wippte mit den Bäumen, um ihr klopfendes Herz zu beruhigen – was würde Zehn-Städte jetzt tun?

Das Mädchen stand plötzlich auf, die kühle Luft weckte sie mit einem Mal. Zehn-Städte kam nicht. Vierundzwanzig-Null-Eins entfuhr ein langer Schrei, wie der einer Eule. Er lachte, als er den Hall hörte und das Gefühl das man hat, wenn man laut schreit.
„Ich will raus, Cara, ich will raus, ich will raus, ich will raus, ja?“
Cara schüttelte den Kopf.
„Nein.“
Vierundzwanzig-Null-Eins verlor sein Lächeln. Seine Miene verfinsterte sich. Er fing an schnell und übertrieben zu atmen an.
„Hör auf“, zischte Cara ausser Puste.
Er wirbelte herum und sprang vom Stuhl weg.
„Ich will raus, Cara, Cara, ich will raus, raus und du fick dich!“
Cara setzte sich auf den Stuhl. Sie hatte Tränen in ihren Augen.
„Das sollst du nicht sagen“, weinte sie.
Vierundzwanzig-Null-Eins sprang vom Stuhl auf und kletterte auf die Fensterbank. Er blutete wieder aus den Augen. Das Blut lief heiß über sein Gesicht.
„Ich will raus, Cara.“
Cara lies sich vorsichtig vom Fenstersims zu Boden fallen. Jetzt war sie schon im Garten. Vielleicht, wenn sie nur kurz mit ihm weg gehen würde, nur für kurz, dann würde es niemand merken und dann würde sie wieder zurück sein und er wäre abgekühlt.
„Cara, ich hasse Menschen, lass uns ein Tier töten, lass uns... ein Tier töten!“
Cara legte ihren Finger auf die Lippen.
„Du musst leise sein.“
Er nickte aufgeregt. Er nahm sie am Handgelenk und zog sie auf die Rollbahn. Sie lief zum Hangar und verschwand dahinter. Dort war ein Loch im Zaun.
„Ich will eine Katze töten, Cara.“
„Ja.“
Sie folgte eilig einem sandigen Weg in Richtung Stadt.

Als die ersten Straßenlaternen auftauchten verschwand sie zwischen den Büschen. Hier hatte sie einmal oft gespielt, deshalb gab es jetzt einen Tunnel durch das Buschwerk bis zum Nachbarn. Dort lebte eine Katze. Kitkat. Und sie aß gerne Kitkat.

„Miau“, sagte sie. Sie kannte nur dieses eine Wort. Aber Vierundzwanzig-Null-Eins hatte sie schon vor langer Zeit durchschaut. Sie spionierte manchmal im Garten seiner Eltern oder lief provokant über die Landebahn, wenn gerade jemand um Starterlaubnis bat.
„Ich schneide ihr den Schwanz ab, Cara, Cara lass mich den Schwanz abschneiden, ich will... ihr den Schwanz abschneiden.“
Cara nickte und schlich näher heran. Kitkat blickte kurz in ihre Richtung dann spazierte sie einfach weiter. Cara hatte eine Idee.
„Komm“, rief sie, „komm her.“
Kitkat musterte sie noch einmal kurz, hatte aber kein Interesse zu kommen und Vierundzwanzig-Null-Eins wurde ungeduldig.
„Dreckiges Stück!“
Kitkat zuckte zusammen. Vorwurfsvoll blickte sie Cara an.
„Miau?“
„Komm zu mir, Kitkat – hör auf Vierundzwanzig-Null-Eins!“
Das Licht im Haus des Nachbarn ging an und sogleich wurde auch die Gartentür geöffnet. Der große Mann, der Nachbar stand im Eingang.
„Cara?“, fragte er verblüfft.
Vierundzwanzig-Null-Eins sprang ihn an.
„Hit!“
Seine Krallen gruben tief in seine Wange, wie mit einer Tigerpranke zog er mit seiner Hand durch das Gesicht des großen Mannes. Und noch bevor dieser überhaupt ein Ton von sich geben konnte, hatte er ihm auch schon seine andere Wange zerkratzt. Und beinahe im selben Moment landete er zurück auf den Boden und Cara sah das Blut in dem freundlichen Gesicht und erinnerte sich daran, dass der Nachbar beim letzten Grillfest am Flugplatz gewesen war und dann rannte sie so schnell sie konnte.

Die Blätter und Äste peitschten ihr durchs Gesicht. Vierundzwanzig-Null-Eins heulte laut wie ein Werwoölf aber sie konnte ihn nicht mehr sehen. Sie hörte noch das Stöhnen des Nachbarn und sah wie er seine Hand hob um sich im Gesicht anzufassen in ihrem Kopf. Sie fing an zu weinen – laut und irre weil sie keine Ahnung hatte was sie tun sollte. Sie traute sich nicht einmal zurück nach Hause. Sie rannte so lange, bis sie den Wald erreicht hatte.
„Cara?“
Cara rannte auf den Jungen im Arztkittel zu und umarmte ihn. Eigentlich fiel sie in ihn hinein oder ließ sich einfach fallen und er fing sie auf. Und sie weinte weiter.
„Zehn-Städte“, schluchzte sie. „Vierundzwanzig-Null-Eins – er- … er hat den großen Mann angegriffen und hat ihn mit seinen Krallen verletzt.“

Zehn-Städte streichelte ihr Gesicht.
„Ist schon gut. Hör auf zu weinen, ich kann dir helfen, dass weißt du doch.“
Zehn-Städte nahm ihre Hand.
„Zuerst gehen wir nach Hause“, sagte er. „Dann wecken wir meine Eltern und erzählen ihnen was beim Nachbarn passiert ist – nicht mehr und nicht weniger.“
Cara schüttelte den Kopf und machte einen Schritt von Zehn-Städte weg.
„Nein, sie werden denken, dass ich wieder krank bin.“
Der Junge im Arztkittel blieb ruhig und schüttelte den Kopf.
„Warte, Cara. Erinnerst du dich, was der Arzt gesagt hatte? Dr. Johannson?“
Cara zuckte mit den Schultern, aber es fiel ihr langsam wieder ein.
„Es kann Rückschläge geben, deshalb auch diese Medikamente. Im Großen und Ganzem aber, wird Cara ein relativ normales Leben führen können. Erinnerst du dich?“
Zehn-Städte reichte ihr seine Hand und umschloss ihre. Zusammen gingen sie zurück zum Landeplatz und kletterten durch das Fenster zurück in Caras Zimmer. Vierundzwanzig-Null-Eins war nicht da.
„Bist du bereit?“, fragte Zehn-Städte.
Cara nickte. Sie ging in den Flur und klopfte an die Zimmertüren ihrer Eltern.

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