Roja
hatte sehr grüne Augen und einen strähnigen Schopf, genau wie ihr
Freund Bo. Hin und wieder kam es vor, dass sie verwechselt wurden,
weil sie sich sehr ähnlich sahen. Die beiden fanden das ziemlich
lustig. Auch sah man sie nie alleine, immer waren sie zusammen
unterwegs. Sie liefen durch die Stadt zum Eisladen, streiften durch
den Schatten des Waldes, wenn es ihnen zu heiß war. Sie saßen in
der Schule zusammen und in den Pausen spielten sie Basketball.
In
den Sommerferien gingen sie zum Strand, dort verbrachten sie die
langen Tage bis die Sonne unterging und der Himmel sich langsam
orange färbte. Eigentlich war ihnen nie langweilig, wenn sie
zusammen unterwegs waren und wenn doch, dann machten sie die
merkwürdigsten Sachen.
Zum
Beispiel fingen sie eines späten Nachmittags an ein Loch im
trockenen Sand am Strand zu graben. Sie hatten sich in den Kopf
gesetzt das tiefste Loch zu buddeln das je an einem Strand gegraben
wurde.
„Ich
glaube, mit diesem Loch öffnen wir die Pforten zu etwas das nie
jemand jemals zuvor gesehen hatte“, sagte Bo, als das Loch so tief
geworden war, dass sie beide ganz darin verschwanden und sich am
Boden sandiges Wasser sammelte.
„Wir
haben Kontakt zum Ozean, Bo“, sagte Roja mit einer Stimme, als
hätten sie beide ein Experiment durchgeführt welches ein
unerwartetes Ergebnis ergab.
Bo
lugte über den Rand der Grube hinaus auf das Meer. Am Horizont
versank die Sonne in einem feurigem Inferno – der Himmel glühte.
„Schau
dir das an“, flüsterte Bo. Roja blickte hinaus aufs Meer.
„Wir
hantieren hier mit Mächten die uns vollkommen unbekannt sind“,
flüsterte sie ehrfürchtig.
Bo
nahm sie am Arm und zog sie wieder in den Schutz ihrer Grube
hinunter. Das Rauschen der Wellen klang nun nicht mehr so laut. Die
Luft war aber erfüllt vom Zirpen der Insekten und das Rauschen bekam
eine Melodie die immer lauter zu werden schien.
„Bo?“,
fragte Roja leise. Er sah sie an. „Glaubst du, wir tun das
richtige?“
Der
Junge zuckte mit den Schultern. Das Rot des Himmels war nun über
ihnen. Die vereinzelten Wolken glühten über ihnen, das Zirpen
betäubte ihre Ohren.
„Es
ist ohnehin zu spät, um es rückgängig zu machen“, flüsterte Bo.
„Hörst
du das?“, zischte Roja plötzlich.
Es
blubberte und spritzte und rauschte, als würde Wasser hinab stürzen.
Doch schnell verklang es und als nächstes schmatze es und ein
langer, tiefer Ton erklang – das Zirpen verstummte beinahe – ein
Ton, wie von einem Tier, ein röhren, dumpf und nass.
„Oh,
nein, oh, nein“, flüsterte Roja.
„Psst“,
machte Bo.
Stille.
„Was
war das?“
Bo
schüttelte den Kopf. Langsam stand er auf und spähte über den
Rand. Und er erstarrte.
„Bo?
Was … Bo?!“
Bo
kauerte sich langsam wieder neben seine Freundin.
„Eine
Schildkröte“, sagte er leise, mit bebender Stimme. „Eine
riesengroße Schild-.“ Er verstummte der Boden begann nämlich zu
vibrieren an und ein Schleifen – ein träges, sehr schweres
Schleifen. Dann röhrte es wieder laut und dumpf und tief und es
stöhnte.
„Bo,
es kommt auf uns zu“, rief Roja und sprang auf, blieb aber in einer
geduckten Haltung. Sie wollte es nicht sehen. Und es stöhnte und
röhrte wieder laut.
Jetzt
war der Himmel über ihnen dunkelblau und Sterne funkelten auf.
„Raus
hier“, sagte Bo und half Roja aus der Grube.
Sie
spürte etwas gigantisches hinter sich, es verdunkelte den Horizont.
Bo krabbelte hinter ihr her und beide blickten zurück. Ein Berg
hatte sich vor ihrer Grube abgesetzt, zehn Meter hoch oder noch
höher, über und über bewachsen mit Algen und Muscheln. Aus diesem
Berg ragte der Kopf heraus, so groß, wie ein Lastwagen und zwei
sumpfig-grüne Augen leuchteten ihnen ausdruckslos entgegen.
„Bo?!“,
wimmerte Roja.
Bo
wimmerte zurück.
Die
Schildkröte blinzelte, neigte ihren Kopf gen Boden und entdeckte die
Grube, die sie interessiert betrachtete, dann musterte und – sie
neigte den Kopf leicht zur Seite, als schien sie zu überlegen –
einmal zufrieden nickte.
„Bo“,
flüsterte Roja, „Bo, ich glaube, sie mag unsere Grube.“
Bo
würgte ein leises Fiepen hervor und nickte. Sie wagten es beide
nicht sich zu sehr zu bewegen und so lagen sie wie erstarrt im Sand
und warteten.
Die
Schildkröte schnaufte laut, ihr Atmen blies den beiden kräftig
durchs Haar.
„Bitte,
iss uns nicht“, schrie Roja schrill auf.
Aber
die Schildkröte stöhnte einmal laut und erhob sie sehr langsam. Nun
sah sie aus, wie ein Berg auf klauen-besetzten Felsblöcken. Sie
begann sich stampfend zu drehen und das hörte und fühlte sich an
wie kleine Erdbeben die den Strand erzittern ließen.
„Was
macht sie jetzt?“, sagte Bo.
Sie
zeigte ihnen nun ihren Hintern. Dort hatte sie einen Schwanz aus
knorriger Reptilienhaut und er bewegte sich verdächtig.
„Oh
nein! Bo!“
Bo
schoss der gleiche Gedanke durch den Kopf und er sprang auf die Füße.
„Komm
schon“, sagte er. Roja rappelte sich auf und beide strauchelten
rücklings davon doch...
Die
Schildkröte stöhnte und röhrte laut auf das es hallte. Dort wo der
Schwanz unter dem gewaltigen Panzer verschwand, öffnete sich ein
feuchter Schlitz und unter der dicken Haut kam etwas weißes zum
Vorschein. Es drückte sich wie von selbst aus dem Körper des Tieres
und und fiel mit einem dumpfen Aufschlag in die Grube. Ein Ei.
Roja
lächelte erleichtert und wischte sich die Schweißperlen von der
Stirn.
„Oh,
Bo“, sagte sie und fing an zu lachen.
Das
Zirpen nahm wieder zu.
Bo
grinste.
„Was
denn?“, fragte er Schulter-zuckend.
Roja
lachte und überall konnte man ihr lachen hören und Bo schüttelte
nur grinsend den Kopf.
„War
auch deine Idee, ja?“, sagte er und: „Hör mal, es ist schon
recht spät, wir sollten nach Hause gehen.“
1 Kommentar:
nach hause,,,
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