Sonntag, 5. August 2012

Das Ei oder Ein Spiel


Roja hatte sehr grüne Augen und einen strähnigen Schopf, genau wie ihr Freund Bo. Hin und wieder kam es vor, dass sie verwechselt wurden, weil sie sich sehr ähnlich sahen. Die beiden fanden das ziemlich lustig. Auch sah man sie nie alleine, immer waren sie zusammen unterwegs. Sie liefen durch die Stadt zum Eisladen, streiften durch den Schatten des Waldes, wenn es ihnen zu heiß war. Sie saßen in der Schule zusammen und in den Pausen spielten sie Basketball.
In den Sommerferien gingen sie zum Strand, dort verbrachten sie die langen Tage bis die Sonne unterging und der Himmel sich langsam orange färbte. Eigentlich war ihnen nie langweilig, wenn sie zusammen unterwegs waren und wenn doch, dann machten sie die merkwürdigsten Sachen.
Zum Beispiel fingen sie eines späten Nachmittags an ein Loch im trockenen Sand am Strand zu graben. Sie hatten sich in den Kopf gesetzt das tiefste Loch zu buddeln das je an einem Strand gegraben wurde.
Ich glaube, mit diesem Loch öffnen wir die Pforten zu etwas das nie jemand jemals zuvor gesehen hatte“, sagte Bo, als das Loch so tief geworden war, dass sie beide ganz darin verschwanden und sich am Boden sandiges Wasser sammelte.
Wir haben Kontakt zum Ozean, Bo“, sagte Roja mit einer Stimme, als hätten sie beide ein Experiment durchgeführt welches ein unerwartetes Ergebnis ergab.
Bo lugte über den Rand der Grube hinaus auf das Meer. Am Horizont versank die Sonne in einem feurigem Inferno – der Himmel glühte.
Schau dir das an“, flüsterte Bo. Roja blickte hinaus aufs Meer.
Wir hantieren hier mit Mächten die uns vollkommen unbekannt sind“, flüsterte sie ehrfürchtig.
Bo nahm sie am Arm und zog sie wieder in den Schutz ihrer Grube hinunter. Das Rauschen der Wellen klang nun nicht mehr so laut. Die Luft war aber erfüllt vom Zirpen der Insekten und das Rauschen bekam eine Melodie die immer lauter zu werden schien.
Bo?“, fragte Roja leise. Er sah sie an. „Glaubst du, wir tun das richtige?“
Der Junge zuckte mit den Schultern. Das Rot des Himmels war nun über ihnen. Die vereinzelten Wolken glühten über ihnen, das Zirpen betäubte ihre Ohren.
Es ist ohnehin zu spät, um es rückgängig zu machen“, flüsterte Bo.
Hörst du das?“, zischte Roja plötzlich.
Es blubberte und spritzte und rauschte, als würde Wasser hinab stürzen. Doch schnell verklang es und als nächstes schmatze es und ein langer, tiefer Ton erklang – das Zirpen verstummte beinahe – ein Ton, wie von einem Tier, ein röhren, dumpf und nass.
Oh, nein, oh, nein“, flüsterte Roja.
Psst“, machte Bo.
Stille.
Was war das?“
Bo schüttelte den Kopf. Langsam stand er auf und spähte über den Rand. Und er erstarrte.
Bo? Was … Bo?!“
Bo kauerte sich langsam wieder neben seine Freundin.
Eine Schildkröte“, sagte er leise, mit bebender Stimme. „Eine riesengroße Schild-.“ Er verstummte der Boden begann nämlich zu vibrieren an und ein Schleifen – ein träges, sehr schweres Schleifen. Dann röhrte es wieder laut und dumpf und tief und es stöhnte.
Bo, es kommt auf uns zu“, rief Roja und sprang auf, blieb aber in einer geduckten Haltung. Sie wollte es nicht sehen. Und es stöhnte und röhrte wieder laut.
Jetzt war der Himmel über ihnen dunkelblau und Sterne funkelten auf.
Raus hier“, sagte Bo und half Roja aus der Grube.
Sie spürte etwas gigantisches hinter sich, es verdunkelte den Horizont. Bo krabbelte hinter ihr her und beide blickten zurück. Ein Berg hatte sich vor ihrer Grube abgesetzt, zehn Meter hoch oder noch höher, über und über bewachsen mit Algen und Muscheln. Aus diesem Berg ragte der Kopf heraus, so groß, wie ein Lastwagen und zwei sumpfig-grüne Augen leuchteten ihnen ausdruckslos entgegen.
Bo?!“, wimmerte Roja.
Bo wimmerte zurück.
Die Schildkröte blinzelte, neigte ihren Kopf gen Boden und entdeckte die Grube, die sie interessiert betrachtete, dann musterte und – sie neigte den Kopf leicht zur Seite, als schien sie zu überlegen – einmal zufrieden nickte.
Bo“, flüsterte Roja, „Bo, ich glaube, sie mag unsere Grube.“
Bo würgte ein leises Fiepen hervor und nickte. Sie wagten es beide nicht sich zu sehr zu bewegen und so lagen sie wie erstarrt im Sand und warteten.
Die Schildkröte schnaufte laut, ihr Atmen blies den beiden kräftig durchs Haar.
Bitte, iss uns nicht“, schrie Roja schrill auf.
Aber die Schildkröte stöhnte einmal laut und erhob sie sehr langsam. Nun sah sie aus, wie ein Berg auf klauen-besetzten Felsblöcken. Sie begann sich stampfend zu drehen und das hörte und fühlte sich an wie kleine Erdbeben die den Strand erzittern ließen.
Was macht sie jetzt?“, sagte Bo.
Sie zeigte ihnen nun ihren Hintern. Dort hatte sie einen Schwanz aus knorriger Reptilienhaut und er bewegte sich verdächtig.
Oh nein! Bo!“
Bo schoss der gleiche Gedanke durch den Kopf und er sprang auf die Füße.
Komm schon“, sagte er. Roja rappelte sich auf und beide strauchelten rücklings davon doch...
Die Schildkröte stöhnte und röhrte laut auf das es hallte. Dort wo der Schwanz unter dem gewaltigen Panzer verschwand, öffnete sich ein feuchter Schlitz und unter der dicken Haut kam etwas weißes zum Vorschein. Es drückte sich wie von selbst aus dem Körper des Tieres und und fiel mit einem dumpfen Aufschlag in die Grube. Ein Ei.
Roja lächelte erleichtert und wischte sich die Schweißperlen von der Stirn.
Oh, Bo“, sagte sie und fing an zu lachen.
Das Zirpen nahm wieder zu.
Bo grinste.
Was denn?“, fragte er Schulter-zuckend.
Roja lachte und überall konnte man ihr lachen hören und Bo schüttelte nur grinsend den Kopf.
War auch deine Idee, ja?“, sagte er und: „Hör mal, es ist schon recht spät, wir sollten nach Hause gehen.“

1 Kommentar:

BSarna hat gesagt…

nach hause,,,