Bino
kam auf einem Pfad aus dem Wald. Er kam zwischen den Büschen hervor.
Die Blätter an den Ästen machten den Pfad unsichtbar. Er tauchte
plötzlich auf. Er kam auf einem Schotterweg raus. Auf der anderen
Seite war eine Wiese und ein alter Spielplatz aus Metall und
verblassten Farben und mir viel Rost. Und dahinter lag der Landeplatz
mit Feuerwache.
Cara
klatschte in die Hände. Sie war die Rutsche hinunter gerannt und
beinahe im Geäst des Waldes verschwunden aber dann hielt sie kurz
davor an.
„Zehn
Städte“, schrie sie, „bleib da!“
Sie
rannte grinsend zurück zur Rutsche und begann sie über die
Rutschbahn wieder hinauf zu klettern.
„Zehn
Städte, ja!“
Bino
überquerte den Schotterweg. Er hatte richtig Lust sie zu ärgern.
Sie schien alleine zu sein. Die Bänke am Rand des Spielplatzes waren
leer und auf der Rutsche, den Schaukeln und dem Kletterbaum war auch
niemand.
„Vierundzwanzig-Null-Eins“, fauchte sie.
Sie
rutschte die Rutsche runter. Sie grinste nicht mehr, merkte nicht,
dass Bino näher kam. Sie trat gegen den Kieselsand, die kleinen
Steinchen schossen durch die Luft.
„Hau
ab!“, zischte sie.
Bino
stand hinter ihr.
„Hau
du doch ab“, sagte er.
Sie
wirbelte herum. Dann sprang sie zurück. Bino lachte. Sie sah ihn
ausdruckslos an. Ihre Augen waren schwarz. Bino machten sie Angst
noch bevor er wusste, was ihn erschreckte. Sie starrte ihn weiter an.
„Was
guckst du so blöd?“, fragte Bino.
Sie
schaute auf den Boden, suchte ihn um ihre Füße herum ab. Sie schien
nach etwas zu suchen. Vielleicht nach einem Stein.
„Was
willst du machen?“, fragte Bino.
Sie
überlegte.
„Hit!“
Mit
einem Mal war sie direkt vor ihm und boxte ihm mit geballter Hand
mitten ins Gesicht. Bino taumelte rücklings und fiel in den
Kiessand. Sofort spürte er warmes Blut über seine Lippen laufen und
herunter tropfen.
„Bist
du bescheuert?“, schrie er sie von unten her an.
„Ja,
ich und Vierundzwanzig-Null-Eins und Zehn Städte“, antwortete sie
ihm prompt.
Bino
sprang auf und trat ihr in die Seite. Sie ging in die Knie und hielt
sich die Rippen an der Stelle wo er sie erwischt hatte. Dann fing sie
an zu weinen. Und zwar ziemlich laut.
„Ist
ja gut“, schrie Bino gegen ihr Schreien an. „Hör doch mal auf!“
Sie
weinte weiter.
„Hör
zu, tut mir Leid, okay? Hör auf zu schreien.“
Nirgendwo
war jemand zu sehen. Bino zuckte mit den Schultern. Er wollte gerade
gehen, da hörte sie plötzlich auf.
„Also,
endlich“, murmelte er.
Sie
stand auf ohne ein Ton zu sagen, drehte sich um und ging auf die
Wiese und auf den Wald zu. Die Sonne ging unter.
„Wo
gehst du hin?“, fragte Bino.
Sie
wischte sich die Augen und das Gesicht mit ihren Ärmeln ab.
„Zehn
Städte!“
„Was
hast du bloß mit diesen zehn Städten?“
Er
ging ihr nach, hielt aber genügend Abstand, falls sie ihn noch
einmal schlagen wollte. Ihm wurde ein wenig übel, weil er ständig
sein Blut ableckte. Sie sagte nichts.
„Ich
bin Bino.“
„Ich
bin Cara-Vierundzwanzig-Null-Eins.“
„Wieso
Vierundzwanzig-Null-Eins.“
„Das
ist meine Freundin, sie ist böse.“
Beide
blieben vor einem hohen Nadelbaum stehen.
„Warum
böse?“
„Sie
haut dich.“
Bino
machte einen Schritt zurück.
„Nein,
sie haut mich nicht, weil ich dann zurück haue.“
Sie
klatschte in die Hände und freute sich für diesen kurzen Moment
beinahe euphorisch.
„Alles
klar“, sagte Bino. Langsam begriff er, dass Cara nicht ganz dicht
war. „Welche zehn Städte meinst du?“
„Das
ist ein Freund, ein Freund ist eine Katze, Zehn Städte.“
Bino
lachte.
„Du
bist aus einer Anstalt für Psychonauten weggelaufen, nicht wahr?“
Cara
lachte auch. Sie klatschte in die Hände, bzw. verfehlte sie
halbwegs, freute sich aber dennoch göttlich. Dann wischte sie sich
ihre strubbeligen Locken aus dem Gesicht und klatschte noch einmal in
die Hände.
„Deine
imaginären Freunde, wie sehen die aus?“
„Zehn
Städte ist eine Katze.“
„Und
der andere, dieser Vierundreizig-Null-Eins?“
Cara
zuckte mit den Schultern. Sie lächelte nicht mehr.
„Okay,
der scheint nicht dein bester Freund zu sein.“
Sie
blieben eine Weile still. Bino hob einen Stock vom Boden auf und warf
ihn in den Wald hinein. Er krachte gegen einen Baumstamm und
vibrierte für den Bruchteil einer Sekunde in der Luft stehend bevor
er zu Boden viel.
„Sag
mal, du bist doch nicht wirklich weggelaufen, oder?“
„Nein.“
Sie
hob auch einen Ast vom Boden auf und warf ihn in den Wald.
„Wo
sind den deine Eltern oder so etwas?“
Sie
zeigte zur Landebahn.
„Lebst
du dort?“
Sie
nickte. Sie lies beide Hände durch die Luft flattern vor Aufregung
(vielleicht), als Bino einen großen Stein vom Boden aufhob, um ihn
zu werfen.
„Was
ist bei dir eigentlich kaputt?“, fragte er und warf. Der Stein
landete in einem Busch der beim Aufprall heftig erzitterte.
„Ich
bin manchmal Vierundzwanzig-Null-Eins und manchmal bin ich hier.“
„Wo
ist Vierundzwanzig-Null-Eins denn?“
Sie
blickte auf ihre linke Schulter und dann ein Stück hoch. Es sah aus,
als würde sie jemandem ins Gesicht blicken der einen Kopf größer
war als sie. Bino lief ein Schauer über den Rücken.
„Ist
er- steht er neben dir?“
Sie
nickte. Ihr Gesicht war wieder ausdruckslos.
(„Hit
and run away!“)
„Spricht er mit dir?“
Sie
zuckte mit den Schultern.
„Ich
muss nach Hause“, sagte sie.
1 Kommentar:
ich kenne schon die Zahlen...
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