Das
Leben lernte das Wort und mit dem Wort entwickelte sich die
Verständigung. Bald gab sich das Leben einen Namen, den Namen
Kaltsonnen. Sie lebten in einer kalten und zerstörrten Welt, in
einer Welt aber, die sich ständig weiter entwickelte, sich selbst zu
heilen vermochte und langsam neue Pracht erlangte.
Die
Kaltsonnen lebten in dieser Zeit im Westen der heutigen Nordlanden,
südlich der sehr alten Städte West- und Ostwalden. Sie hatten
Corneria vergessen und beteten den Gott des Lichtes an, der sich
ihnen als große, blendend Scheibe am Himmel offenbarte.
Und
den Gott des Lichtes erfreute diese Aufmerksamkeit und er kehrte
jeden Tag wieder, um die Gebete seiner Kaltsonnen zu empfangen.
Die
anderen Götter fühlten sich vernachlässigt und großer Neid stieg
in ihnen auf und schließlich auch Zorn. Die kleinen Götter, die nur
bewundert werden konnten, wenn der Gott des Lichtes nicht mehr das
Himmelszelt beanspruchte, schlossen sich zusammen. Es entstanden
viele Götter-Bunde, die nicht nur die Kaltsonnen sehen konnten.
Ein
anderes Leben, welches ebenfalls das Wort gelernt hatte, begann damit
das Götterbild der Tunnelotter -wie es von diesem Leben genannt
wurde- anzubeten. Wie es genau dazu kam, kann in dem Buch „Die
Tunlr“ nach gelesen werden.
In
dieser Schriftrolle möchte ich mein Wissen über die Kaltsonnen mit
jenen Teilen die ein Interesse daran haben zu erfahren woher wir
Nordmanen kommen und wie das Reich Nordlanden gegründet wurde.
Von
den Ruinen der Alten ist nicht mehr sehr viel übrig. Selbst wenn man
am alten Stadtrand steht, erkennt man nicht, dass einst hier das
Leben blühte. Wie die Stadt von den Kaltsonnen genannt wurde weiß
niemand mehr und das was übrig geblieben ist wird, wie schon
erwähnt, Ruinen der Alten genannt.
Auch
ich, als ich den Ort erreichte, hatte keine Ahnung, dass ich bereits
inmitten der alten Stadt stand, bis ich zwischen Bäumen, überwuchert
mit Efeu, eine alte Tempelanlage aus grob gehauenem Fels entdeckte.
Der größte Teil der Anlage war bereits vor Jahrhunderten
eingestürzt. Es waren noch einige Mauern übrig geblieben und das
hohe Eingangstor, welches mich sehr beeindruckte. Ich war fasziniert
davon und konnte doch nicht begreifen, wie die Kaltsonnen ein solches
Bauwerk in damaligen Zeiten zu erbauen schaften. Die meißten
Bauwerke, die ich aus dieser Zeit kannte, bestanden im Grunde aus
aufeinander gestapelten Felsblöcken – als Dach dienten zumeist
dünne Baumstämme, die mit Moosen oder Schirmblättern abgedichtet
wurden. Dieser Tempel jedoch schien aus Felsen zu bestehen, die
ineinander griffen, wie Hacken. Schwere Balken mussten das Dach,
welches ebenfalls aus dünn gehauenen Felsen bestanden haben muss,
gehalten haben. Auch einige Säulen erkannte ich im Schutt und unter
einer Menge Moos.
Nachdem
ich mich von meiner Überwältigung etwas erholt hatte, begann ich
mit meiner Arbeit. Ich baute meinen Fotokasten auf und begann zu
fotografieren. Einige Male musste ich den Standort wechseln, um alles
aufnehmen zu können und die Sonne ging gerade unter, als ich fertig
war.
Wahrscheinlich
wäre ich in dieser Nacht schlafen gegangen und am nächsten Tag
wieder abgereist, ohne je zu erfahren, welche Geheimnise dieser
Tempel sonst noch barg. Ein Wolf, der mich seit einiger Zeit schon
beäugt haben muss, wies mir den Weg. Als ich ihn bemerkte, kletterte
ich rasch auf eine der brüchigen Mauern, um von oben herab mit Feuer
nach ihm zu werfen, dass er verschwand. Jedoch habe ich soviel Magie
im Blut, wie eine neugeborene Blattlaus, so, dass ich kaum ein
Fünkchen zustande brachte. Ich harrte also aus.
Und
irgendwann muss ich wohl eingeschlafen sein. Nach einem
alptraumhaften Traum, in dem ich von Wölfen zerfleischt wurde,
wachte ich erst am frühen Morgen wieder auf. Die Sonnenstrahlen
hatten mich geweckt und der Wolf war nicht mehr da. Ich verneigte
mich vor dem Sonnengott, dem alten Gott des Lichts der Kaltsonnen.
Dann wollte ich mich auf den Rückweg machen aber beim
Herunterklettern entdeckte ich von oben ein Loch im Waldboden, nicht
weit vom Tempel entfernt. Eine Treppe, die kaum noch als solche zu
erkennen war, führte unter die Erde.
Schnell
hatte ich eine Fakel vom Wagen geholt, sie entzündet und machte mich
daran hinunter zu steigen. Der Tunnel führte mich sehr tief unter
die Erde und umso tiefer ich stieg, umso mehr Schutt und Felsblöcke
musste ich übersteigen. Eine Stunde musste ich unterwegs gewesen
sein -so kam es mir jedenfalls vor- als ich endlich am Ende des
Tunnels ankam und mich vor einem großen Tor aus einem dunklen Metal
sah. Wieder packte mich die Faszination, den die Kaltsonnen schienen
die Schmiedekunst beherrscht haben, eine Kunst die erst einige
hundert Jahre alt war – so glaubte man bisher. Aber das Zeitalter
der Kaltsonnen endete vor fast 2000 Jahren und die Ruinen der Alten
waren natürlich noch viel älter.
Mit
meinem Gewicht stämmte ich mich gegen die großen Türen und konnte
sie mit viel Kraft einen Spalt weit öffnen. Dahinter beleuchtete
meine Fakel einen kleinen Teil einer gewaltigen Halle.
Ehrfürchtig
machte ich einen Schritt hinein. Die Decke über mir war kaum zu
erkennen, so hoch über mir schien sie zu schweben, wie das
Himmelszelt über Corneria. Zu meiner Linken erblickte ich in Stein
gemeißelte Bilder. Ich sah das Bild einer Sonne von der Strahlen
ausgingen und die Köpfe von Menschen, die am Fuß der Wand gemeißelt
worden waren, berührten.
Ich
trat näher. Die Menschen stellten Kaltsonnen dar und ich war
überrascht, wie sehr sie den heutigen Menschen ähnelten. Nicht
selten hatte ich gehört, dass die Kaltsonnen riesenhafte Geschöpfe
waren, mit 4 Armen und 4 Beinen und einem Kopf wie der eines
Goldkäfers. Auf den Bildern aber hatten sie alle nur zwei Beine und
zwei Arme und ihre Köpfe sahen aus, wie die eines jeden Nordmanen.
Nur ihre Hälse wurden ungewöhnlich lang dargestellt.
Langsam
bewegte ich mich an der Wand entlang. Ich sah eine prunkvolle Stadt
abgebildet und Kaltsonnen mit Pfeil und Bogen, die gegen wilde Tiere
kämpften. Ein Stück weiter war der Schauplatz einer Schlacht in
Stein gemeißelt und ich wunderte mich sehr, als mir klar wurde, dass
dieses Bild den Kampf zwischen Kaltsonnen und Kaltsonnen zeigte.
Weshalb hatten sie sich gegeseitig bekämpft? Bei genauerer
Betrachtung bemerkte ich, dass einige Kaltsonnen das Zeichen der fast
vergessenen Göttin Corneria auf ihrer Brust trugen und andere trugen
das Zeichen der Tunnelotter. Und die mit dem Zeichen der Tunnelotter
waren viel kleiner, als die anderen dargestellt – es musste sich um
die Tunlr handeln. Sie waren ein Volk, welches nach den Kaltsonnen
das Wort gelernt hatte und da sie in den Bergen, zumeist in dunklen
Tunneln oder unter der Erde lebten, beteten sie den Götterbund der
Tunnelotter an, da sie dem Gott des Lichtes nichts abgewinnen konnten
– Licht war für dieses Volk nämlich nichts was sie als angenehm
oder schön empfanden. Ich hatte mich nie mit den Tunlr befast und
kann nicht mehr erzählen. Anscheinend hatten sie aber eine Art
Bündnis mit einigen Kaltsonnen geschlossen, denn sie kämpften auf
der Seite der Kaltsonnen mit Cornerias Zeichen. Und sie kämpften
gegen die Sonnengott-Anbeter, die, so zeigte es das Bild an der Wand,
ihre Stadt zu verteidigen versuchten.
Ein
Stück weiter entdeckte ich ein ziemlich verwaschenes Bild einer
Karte. Ich musste viel Kalk abkratzen, bis ich erkannte, dass diese
Karte die Städte West- und Ostwalden darstellte. Die ersten Städte
der Nordmanen.
...