„Hinter
diesem Himmel ist noch einer und dahinter wieder ein Himmel und
dahinter auch. Und wir, wie weit wir auch durch die Himmel gegangen
sind, sind erst in unserem Wohnzimmer angelangt. Selbst der erste
Wind auf Erden hat unsere Haustüren nicht verlassen und trotzdem
fühlen wir uns erhaben, seit wir über das hohe Gras schauten indem
wir uns aufstellten.“
Baron
Barol lag träge auf dem See. Das Schiff nahm den gesamten Platz am
Steg ein. Die wenigen Fischerboote hatte es zur Seite gedrängt, als
es gelandet war. Christinen saß im Schneidersitz an Deck und
verschlang ein hart gekochtes Ei nach dem anderen. Eine leere
Plastikflasche Multi-Vitaminsaft rollte über die Planken über Bord
und ins Wasser zu dem anderen Müll der die gesamte Küste des Sees
schmückte.
„Christinen?!“
Der
Hafenmeister kam über eine Leiter zu ihm hoch.
„Hörst du mir zu?“
Christinen
streckte sich, ließ sich auf den Rücken fallen und schloss die
Augen.
„Was willst du, Karo?“
„Du könntest mir bei einer Sache helfen, wenn du schon all meine
Kundschaft einschüchterst. Senith hat sich schon seit drei Tagen
nicht mehr blicken lassen, ich glaube, er ist ziemlich sauer – wann
willst du eigentlich zurück zum Mars?“
Christinen
gähnte und streckte alle Viere von sich.
„Weißt du was, Karo? Ich denke, ich werde gleich sofort abhauen,
du hast recht – es wird langsam Zeit nach Hause zu gehen.“
„Hilfst du mir vorher die Deppen aus meinem Laden zu werfen?“
Karo machte einen Deut in Richtung seiner Blechhütte, die er
zwischen zwei eingestürzten Türmen gebaut hatte. Da lungerten drei
Idioten herum, die es anscheinend drauf ankommen lassen wollten.
Christinen
setzte sich wieder auf.
„Karo, komm schon, du willst mir doch nicht erzählen, dass du mit
denen nicht alleine fertig wirst.“
„Ich bin kein Kopfgeldjäger mehr, Christinen. Ich habe jetzt eine
Familie, eine Frau und einen Sohn.... Du verstehst, ich gehe keine
solchen Risiken mehr ein.“
„Risiko?“, murmelte Christinen mit einem prüfenden Blick auf die
Drei beim Bistro. „Die stehen kaum noch auf eigenen Beinen, Karo.“
Karo
schnaubte.
„Du
kapierst das sowieso nicht, Christinen. Ist gut, ich mach das schon
aber sie zu, dass du bald weg bist hier.“
Christinen
salutierte und legte sich wieder hin. Der Himmel über ihm war
wolkenlos, die Sonne brannte auf seinem Gesicht. Eine Brise kühlte.
Sein Kommunikator am linken Arm fing an zu vibrieren. Er hob den Arm
und hielt das Display in sein Sichtfeld.
„Erhöhte Rad-Werte aus Süd-Süd-Ost in einer Stunde und
dreiundvierzig Minuten“, warnte der Bordcomputer.
Er
hörte Karo mit den drei Idioten streiten, setzte sich nochmals auf,
seufzte und erhob sich träge.
„Ich hasse diesen Planeten“, murmelte er.
Karo
räumte die leeren Flaschen von den Tischen.
„Kommt schon Leute, ich möchte schließen, ihr könnt morgen
wieder kommen.“
„Nein“, sagte einer von den Dreien mit langsamer Stimme. Er hatte
eine Glatze mit einigen wenigen Haaren hinter den Ohren. „Ich will
noch nicht gehen – ich will lieber noch ein bisschen saufen.“
„Dann musst du das woanders tun“, sagte Karo, „steht auf und
geht.“
Einer
der Männer stand tatsächlich auf aber nicht weil er gehen wollte,
sondern um sich über den Tisch nebenan zu übergeben.
„Scheiße“, rief Karo. Er packte den Betrunkenen am Kragen und
warf ihn auf die Straße. Die beiden anderen sprangen auf. Der
Glatzkopf schlug Karo ins Gesicht. Er taumelte zurück.
„Okay, hört zu, ich will keinen Ärger mit euch aber ihr geht
jetzt!“
„Nein – ich will noch nicht gehen, ich will lieber noch ein
bisschen saufen.“
Sein
betrunkener Kollege nickte eifrig.
„Horito!“, rief der Glatzkopf. Er meinte das arme Schwein, dass
sich übergeben hatte und nun in Richtung Steg taumelte. „Komm
zurück, du vollkommen verblödeter Hornochse!“
Horito
hob seine Fäuste, taumelte nun im Zickzack über den Steg und rief:
„Wo ist das Schwein, wo ist er?“
Christinen
stand plötzlich in seiner Bahn. Er packte den Betrunkenen am Hals,
hob ihn mit einer Hand in die Luft und ließ ihn ins Wasser fallen.
Dann spazierte er zum Bistro und ließ seine Pranken auf die
Schultern des Glatzkopfs krachen, der sofort einknickte und nun
kniend zu Christinen aufschaute.
„Mein Kollege möchte schließen“, sagte er.
„Oh“, machte der Glatzkopf. Er nickte. „Selbstv- verständlich.“
Christinen
half Karo die Stühle an die Tische zu ketten, während die Säufer
davon torkelten.
„Na
also“, meinte Karo, „war das zu viel verlangt?“
„Danke, Karo“, sagte Christinen, „für den Liegeplatz. Ich bin
dann mal weg.“
Karo
nickte. Aber als Christinen schon wieder an Deck seines Schiffes war
rief er: „Komm bald wieder, Christinen, alles klar? Der Steg gehört
dir.“ Er lachte.
Christinen
winkte ihm zu und verschwand im Hangar der Baron Barol.
„Meine
Meinung ist, dass das Universum nur existiert, damit Leben entsteht.
13,7 Milliarden Jahre musste es sich entwickeln, bis es endlich
soweit war und Leben entstehen konnte.
Bis
zum heutigen Tag haben wir es nicht geschafft, ein Gefühl zu
simulieren, und zwar so, dass es für eine Maschine eine Bedeutung
hat – und ich sage: Kein Wunder, wir sind noch keine 13,7
Milliarden Jahre alt.“
„Aber Maschinen sind keine Lebewesen, nicht wahr?“
„Nein,
aber sie können es werden – irgendwann. Sehen sie, Maschinen
bestehen aus nichts anderem, als aus dem aus dem auch ein Lebewesen
besteht. Ein Lebewesen ist nichts anderes, als eine höchst-komplexe
Maschine, deshalb können wir auch einige Prozesse, die in unserem
Körper stattfinden, nachbauen. Wenn wir das Wissen hätten, könnten
wir sogar einen ganzen Menschen nachbauen - was natürlich und nicht
zu unrecht, verboten ist!“
„Vollkommen unmöglich, obgleich es schon viele versucht haben,
natürlich.
Aber
sagen sie, Professor, verliert das Leben nicht an Besonderheit,
verliert es nicht seine Magie, seinen Geist und seine Seele, wenn man
Lebendes mit Maschinen vergleicht – das muss doch bedeuten, dass
wir nichts weiter als programmierte Roboter sind.“
„Keinesfalls.
Bedenken sie, das Leben ist vom Universum selbst programmiert worden,
es ist so kompliziert und undurchschaubar, so voller Geheimnisse...
…
wissen sie, ich und viele meiner Kollegen haben begonnen erst an
Wunder zu glauben, als wir uns immer tiefer mit der Lebensforschung
beschäftigten. Ich kenne einen Lebensforscher, der gab die Forschung
irgendwann auf und wurde Mönch auf Calisto.
Das
Leben ist besonders, es ist magisch, es hat einen Geist und eine
Seele aber das bedeutet nicht, dass man es deshalb nicht logisch und
wissenschaftlich erklären kann – Stück für Stück, vielleicht
bis in alle Ewigkeit, wer weiß.“
Christinen
schaltete die Übertragung ab. Die Baron Barol raste durch den Raum
mit Kurs auf eine Umlaufbahn um den roten Planeten, seinem
Heimatplaneten.